Guten Morgen alle beieinander
Ich bin meinen ersten Camino erst 2018 gepilgert. Nicht, dass ich nicht schon früher darüber nachgedacht hatte, aber vor Ende 30 hatte ich irgendwie andere Dinge im Kopf.
Mein
erstes Mal war der Francés. Warum? Weil ich den im Grunde als einzigen mit
Jakobsweg assoziiert hatte. Kerkelings (Hör-)Buch - man mag ja davon halten, was man will - war sicherlich auch einer der Tropfen, die mein persönliches "Ich bin dann auch mal weg"-Fass zum überlaufen gebracht haben.
Sicherlich war mein erster Pilgerweg nicht perfekt. Ich hätte bestimmt an der einen oder anderen Stelle ein bisschen links und rechts schauen sollen. Hätte vielleicht an bestimmten Orten verweilen sollen oder vielleicht einfach mal einen Umweg gehen. Aber es war
mein Weg. Vor allem war bzw. ist es eine Erfahrung, die ich um kein Geld der Welt vermissen möchte.
Ich bin dankbar für die vielen Herbergen, die es mir ermöglicht haben, einen Pilgertag mehr oder minder dort zu beenden, wo ich gerade Lust (oder manchmal auch gerade eben
keine Lust mehr hatte). Ich bin dankbar für die Bänke am Wegesrand, die Bars und Restaurants und die vielen Brunnen und Wasserspender. Das alles gäbe es nicht, wenn nicht viele Pilger unterwegs wären.
Wie gesagt, ich kenne es nicht anders. Mit ein Grund, weswegen ich den Francés zwar irgendwann einmal, aber nicht in absehbarer Zeit noch einmal pilgern möchte ist, dass - ich kenne mich ja so einigermaßen - ich ansonsten alles mögliche miteinander vergleichen würde und dem Weg damit Unrecht tun würde. Zumindest mir geht es so, und das soll absolut keine Unterstellung sein - man neigt ja dazu, Dinge, die man in positiver Erinnerung hat, romantisch zu verklären. "Früher war alles besser" kommt ja nicht von ungefähr. Früher war alles
anders, aber nicht unbedingt besser, oder?
Die Welt wandelt sich. Ebenso die Jakobswege, die ja ein Teil von ihr sind. Die Welt ist besonders in den vergangenen 25 Jahren viel, viel schnelllebiger geworden. Das färbt natürlich auch auf den Jakobsweg ab. Unbestritten - die Erwartungshaltung vieler Menschen an einen Pilgerwegs ist natürlich manchmal überzogen. Daran sind die Influencer mit ihren unrealistischen Hochglanz-Fotos nicht schuldlos. Die Menschen, die diese Fotos für bare Münze nehmen, haben vielleicht auch ein kleines Problem mit Medienkompetenz, denn Werbung sollte man halt nicht alles glauben
Aber ist das schöne an den Jakobswegen nicht, dass man Menschen aller möglichen Facetten trifft? Auch wenn die "Generation Handy" inzwischen einen Teil der Pilgergemeinschaft darstellt, lasst sie doch. Wenn ich mich damit nicht identifizieren kann, brauche ich mich mit ihnen ja gar nciht beschäftigen. Es gibt genügend andere interessante Menschen unterwegs zu treffen. Wenn das Handy immer und überall Teil
ihres Weges ist, wer bin ich, ihnen das in Abrede zu stellen? Klar, gab es das früher nicht. Aber früher gab es auch keine Infrastruktur, keine leichten Rucksäcke, keine Multifunktionskleidung oder Merino-Shirts und -Socken, keine Tarps oder Ultraleicht-Zelte, und, und, und... Früher gab es übrigens auch deutlich mehr bissige Hunde. Und weshalb? Weil die Hunde es überhaupt nicht gewohnt waren, dass fremde Menschen durch ihr Revier ziehen. Ich bin übrigens auch froh, keine Angst mehr haben zu müssen, in den Gänsebergen ausgeraubt zu werden
Letztlich ist es doch nur der immer selbe Kreislauf. Die Menschen wollen Geld verdienen, um sich ein solides Leben zu ermöglichen. Wenn es dafür mehr Pilger braucht, muss dafür eben geworben und der Weg "aufgerüstet" werden. Haben denn die Menschen im Mittelalter ausschließlich altruistisch gehandelt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass nicht auch eine Spur Eigennutz dabei war, wenn damals ein Hospital irgendwo hingebaut wurde...
Kölsches Grundgesetz, Artikel 1:
Et es wie et es. - und gleich Artikel 4 hinterher:
Wat fott es, es fott.. Ich nehme noch
Jede Jeck es anders, jeder es anders jeck, und jet jeck sin mir all. mit dazu.
In diesem Sinne:
Buen Camino und fröhliche Weihnachten. Bleibt gesund!
Stefan