PIlgerischer Lesevirus

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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ilfuchur
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PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von ilfuchur »

Ich finde Raimund Idde, seine Pilgergeschichten für die corona(na)le Pilgerpause zu Verfügung zu stellen, total klasse (danke, Raimund! ) und habe gerade einen Schritt um die Ecke gedacht (aus gegebenem Anlass bei Krusselwetter von einem rundum abgesperrt Wochenmarkt mit vielen Menschen, die eine Gesichtsmasken tragen - ICH BRAUCHE GANZ Dringend EIN KLEINES BISSCHEN WÄRMENDES PILGERFEELING!!!! ):

Habt ihr Lust, hier eine eigene kleine Pilgergeschichte hereinzuschreiben, vielleicht mit einem kleinen Foto. So könnt ihr selbst ein bisschen von eurem Camino träumen... und alle anderen mit euch. Vielleicht hilft das ein bisschen über diese gruselige Zeit.

Ich Freu mich jedenfalls auf eure Geschichten!

Passt alle gut auf euch auf und bleibt gesund!

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Pilger, die beim Gehen manchmal einfach nur Bauch und Füße sind - #Bauchfüßler eben.
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KarstenD
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von KarstenD »

Hallo Andrea,

schöne Idee, hatte ich ja bei Raimund auch schon geschrieben und war schon am überlegen ob ich aus meinem Tagebuch mal hier was reinstellen soll, um das Pilgern zumindest in den Köpfen fortzuführen.
Hab ja gerade nix besseres zu tun, also werde ich mal einen Tag mit seinen Anekdoten fertig machen... wird aber bisschen dauern.

Wäre schön, wenn Viele hier teilnehmen und uns viel zum lesen und schmunzeln geben.


Gruß Karsten
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Raimund Joos
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Raimund Joos »

Super Idee! .... und vielen Dank für die Anerkennung ... Ich habe auch noch eine Geschichte auf Lager - kommt dann später mal.

Bon Camino

Raimund
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CyrusField
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von CyrusField »

Tolle Idee!

Meine eigenen Berichte sind sicherlich nicht das Beste, was man finden/lesen kann, aber in der Not frisst der Teufel ja bekanntlich Fliegen :lol:
Mein eigener Blog mit Berichten u.a. über den Francés, den Mosel-Camino und den Anfang der Via Mosana

Ansonsten gibt es da deutlich Besseres:
Audrey im Wanderland - Francés, Português, Mosel-Camino und weitere Wanderungen
Leben a la Carte - In Flip-Flops auf dem Francés (gibt es auch als Podcast)
Traugotts Pilgerweg - Ein Pastor auf dem Francés
Jakobsweg im Winter - Launiger Bericht über den Francés im Winter

Für diejenigen, die nicht nur gerne Lesen, sondern auch bzw. lieber zuhören:
Losmachen Teil 1 - Zwei Jungs berichten über Ihre Intention den del Norte zu pilgern
Losmachen Teil 2 - Die beiden berichten über ihre Erfahrungen und Erlebnisse
Camino Francés 2018
Mosel-Camino 2019
Via Mosana 2019 - ... (das wird noch :lol:)
Caminho Portugês Central 2020
Camino Inglés 2022
...und auch sonst viel zu Fuß unterwegs: https://stefansspuren.com 8-)
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ilfuchur
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von ilfuchur »

So, jetzt bin ich wieder daheim und inzwischen auch aufgetaut (gestern hatte ich kurze Hosen an, heute meine Merino-Unterhose ... und damit ein bisschen wärmendes Pilgergefühl zumindest untendrunter - ich gehe NIE wieder ohne meine lange Merino-Unterhose auf einen Camino!).
Nachdem ich den Thread eröffnet hatte, habe ich nicht lange nachdenken müssen, welche meiner Pilgergeschichten zu dem heutigen Tag passt: letztes Jahr auf dem Camino de Invierno, als ich aus Monforte de Lemos geflüchtet bin.

Monforte de Lemos war so gar nicht mein Ding. Dabei hatte ich mich auf diese Stadt besonders gefreut und geplant, dort eine Nacht zu bleiben. Am Ende bin ich nach kurzer Zeit von dort wieder geflüchtet. Es war schon Nachmittag und ich setzte all meine Hoffnung auf eine kleine Pension etwa drei Laufstunden entfernt ... wenn man normal läuft. Aber normal ist ja langweilig :D
Bis A Vide ging es immer an der Straße entlang, was für jemanden wie mich, der nicht gerne auf Asphalt geht, nur eine Fortsetzung der städtischen Unschönheit war. Auch danach ging es weiter auf Asphalt und ich dippelte weiter. Erst knurzelte ich ein bisschen vor mich hin, dann knarzelte ich, dann, da war ich aber schon ein gutes Stück über A Vide hinaus, kriegte ich nach und nach immer mehr die Krise und ... drehte um. Ich wusste, dass es einen alternativen Weg geben sollte, der irgendwo in A Vide abgehen musste. Den fand ich auch und war ... hellauf begeistert. So mag ich das! Der Weg war erst noch gut erkennbar, dann aber immer mehr von Eichenschößlingen und hüfthohem Gras zugewachsen und ich hätte mir hier und da schon eine Machete gewünscht, um mich durch das Dickicht zu schlagen. Einmal musste ich wadenhoch durch ein Wasserloch! Ich habe es so genossen!
Als ich wieder auf die Straße traf, erkannte ich, dass ich auf ihr vorher nur noch wenige Meter gehabt hätte, um an den gleichen Punkt zu kommen. Gut, ich hätte es auch einfacher haben können, aber auf keinen Fall schöner!
Danach ging es wunderschön weiter, auf traumhaften Corredoiras durch Wälder, in denen Märchen geboren werden.
Als ich an der Pension, auf die ich so hoffte, ankam, war es schon nach 20.00 Uhr und sie war ... completo. Jepp. Die Dame war auch nicht besonders hilfreich, schickte mich nur in grobe Richtung bergauf weiter und erklärte mir, dort gäbe es zwei Hotels. Von einem gab sie mir auch die Telefonnummer, überließ mich aber dann mit dem Verweis, dass ich dort sicher auch kein Bett mehr bekommen würde, meinem netzlosen Schicksal, was mich dann doch ziemlich von meinem unumwegigen Höhenflug wieder ziemlich scharf auf den Boden der Tatsachen holte. :|
Ich dackelte also weiter und sah mich schon irgendwo im Wald campieren. Mitten in meinen Gedanken, wie ich meinen Buff über die Ohren ziehe, damit mir keine Käfer hineinkriechen, und wie und wo ich mich entmüffeln und mir die Zähne putzen würde, traf ich in einem kleinen Dorf auf zwei Damen und einen Herrn, die eifrig in einem Gespräch vertieft waren. Ein letzter Hoffnungsschimmer: Vielleicht könnten die mir ja sagen, wie ich zu diesen beiden Hotels komme! :roll:
Als ich sie ansprach und danach fragte, guckten sie mich nur ziemlich erschüttert an. Also von dem einen, sagte eine der Damen, wüsste sie, dass es voll sei. Das andere ... da müsste man anrufen.
Mir fällt es immer leichter, mit Menschen in Spanien zu sprechen, wenn sie mir gegenüberstehen, weil ich so mit Händen und Füßen erklären kann, was ich gerne sagen möchte. Wenn man so gut Spanisch kann wie ich, geht das nur so. Am Telefon bin ich verratzt. Also hielt ich ihr mein Handy hin und bat sie, für mich dort anzurufen und nach einem Bett zu fragen, was für einige Erheiterung sorgte: Mein Handy könnte ich hier vergessen, es gäbe weit und breit kein Netz! So krabschte die Dame in die Tasche ihrer Kittelschürze, holte ein Telefon heraus und hatte es auch gleich am Ohr.
Den Verlauf des Gesprächs konnte ich an ihrem Gesicht ablesen und das, was ich da las, wollte ich gar nicht wissen.
Kennt ihr das, dass ihr euch mit einer Situation eigentlich schon abgefunden habt, dann doch ein bisschen Hoffnung kriegt und - schwups - einen entsetzlichen Bauchplatscher macht? Genau so ging es mir da und ich hatte das dringende Bedürfnis, einen Moment alleine zu sein, um erst ein barbarisch wütendes Jawp über den Dächern der Welt erschallen zu lassen und dann gnadenlos in Tränen auszubrechen. Wenn das alles durch meine Kehle heraufkrabbelt, möchte ich nicht, dass mich jemand sieht. Und da krabbelte nichts mehr herauf, das kann ich euch sagen, da musste ich echt die Lippen zusammenpressen, damit es nicht einfach aus mir herausschießt. :mrgreen:
Ich drehte mich um. Die beiden Damen waren eh schon ins Haus gegangen und hatten mich auch einfach stehenlassen; für den Herrn quetschte ich mir noch ein kurzes Danke und Tschüß neben dem Jawp zwischen den Zähnen hindurch. Aber da hatte ich meine Kreisch- und Heulrechnung ohne diese drei Menschen gemacht. Der Herr hielt mich an der Schulter fest und zwang mich erst einmal dazu, meinen Rucksack abzusetzen. Ich dachte nur: Mach das nicht, du willst mich gleich nicht erleben, glaub mir! Aber das auszudrücken hätte ich da gerade auch nicht mit Händen und Füßen hingekriegt, also ließ ich das Jawp sein, tat, was er wollte, und erstickte schier an meiner Heulsusigkeit. Schwups - kam auch schon eine der Damen wieder aus dem Haus gestürmt und brachte mir erst einmal ein Glas Wasser. Wenige Minuten später kam auch die andere Dame wieder und strahlte: Sie hatte für mich ein Hotelzimmer klar gemacht und das nur etwa 10 km entfernt!
10 km! Wie sollte ich darauf reagieren? Ein Bett war ein Bett war ein Bett war ein Bett, aber 10 km? Die schaffte ich nicht mehr, jedenfalls nicht mit Ankunft noch an diesem Tag. Aber das interessierte meine drei Helfer gerade gar nicht. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das hörte sich erst nach einem leichten Gedankenaustausch an, gewann aber schnell und heftig an Fahrt und drehte sich darum, wer mich denn nun zu diesem Hotel fahren darf. Am Ende saßen wir zu viert (!) in einem Auto: Der Herr am Steuer, ich nebendran auf dem Beifahrersitz und die beiden Damen hinten. Genau so liefen wir dann auch im Hotel ein: zu viert! Dort wurde ich von den beiden Wirten schon erwartet und sofort in ein Zimmer begleitet. Die Anmeldung bestand aus der einzigen Frage, ob ich denn schon etwas gegessen hätte und der Bemerkung, man würde mir etwas richten, aber ich sollte mir ruhig Zeit lassen und ganz in Ruhe duschen.
Fortsetzen durfte ich meinen Weg am nächsten Tag übrigens genau dort, wo ich in das Auto eingestiegen war, denn während ich frühstückte, organisierten mir die Wirte einen jungen Herrn, der mich genau dorthin zurückfuhr, was besonders schön war, weil ich mich so noch einmal bei der Dame mit Telefon bedanken konnte.

Das war echt ein Tag mit unglaublichen Downs und Ups, von denen ich noch heute ein bisschen zehre - gerade an Tagen wie heute: Es war heute schon ziemlich unschön und spooky auf dem Markt in Mannheim und ein ziemliches Gefühlsdown. Vielleicht geht es euch auch gerade ein bisschen wie mir, dass da diese Unsicherheit ist, wie es weitergeht. Gut, auf die Situation, dass alles am Ende wieder gut wird, müssen wir sicher noch warten, aber wenn es soweit ist, können wir uns den Kuddelmuddel abduschen und überlegen, auf was wir Hunger haben.

Passt alle gut auf euch auf und bleibt gesund!

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KarstenD
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von KarstenD »

Danke Andrea,

für deinen Ausflug auf den du uns mitgenommen hast.

ich mach dann mal weiter... Viel Spaß beim lesen.

24.04.2017 Pamplona-Muzuzabal

Gebratener Speck, Blähungen zum falschen Zeitpunkt und die „three funny guys“...

Moin, Moin! Um mal wieder aus- und durchschlafen zu können, hatte ich mir das Hotel Europa und ein Einzelzimmer gegönnt. Die Herberge der Paderborner (in die ich ja eigentlich wollte) habe ich ja trotz aller Bemühungen nicht finden können, da bin ich bestimmt nur 200 Meter von entfernt gewesen, aber zu Müde und kaputt um das zu kapieren. Egal, die Badewanne und gerade diese Ruhe im Zimmer, waren für meinen geschundenen Körper eine absolute Wohltat. Ich habe in dem 1,60 Meter Bett auch sehr gut geschlafen und bin jetzt aber trotzdem schon wieder seit 6:00 Uhr wach, obwohl mich niemand anderes, mit Geraschel, Geklapper, Käsefüßen oder Stirnlampe geweckt hat.
Also es scheint völlig egal, wie kaputt ich auch bin - ich komme einfach nicht an acht Stunden Schlaf heran, oder auch etwas mehr!
In der vergangenen Nacht waren es gerade mal sieben Stunden Schlaf, aber immerhin, OK, 4, 5, 6, 7 - ist doch jeden Tag eine Stunde Schlaf mehr geworden! Da bleibt mir zumindest die Hoffnung, dass ich auch mal richtig ausgeschlafen auf den Weg gehen kann, denn nach der wirklich sehr anstrengenden Anreise, bin ich nach der vierten Etappe doch immer noch wie gerädert.

Gestern vor dem Einschlafen hat ich sehr viel Zeit, wenn man dann so ganz alleine im Bett liegt und damit beginnt, zu überlegen und eine Menge nachzudenken, kommt man schon auf komische Gedanken.
Wie und ob ich den Weg heute überhaupt gehen kann und werde, ging mir nicht aus dem Kopf. Meine Arme und mein Nacken sind leider, durch zu wenig und vor allem dem zu geringen Sonnenschutz, völlig verbrannt! Die Füße schmerzen, Muskelkater im ganzen Bein! Da ist kein Muskel von nicht betroffen. Aber alles nicht so Schlimm, nur mein Hauptproblem, das kaputte Knie, schreit nach einem Arzt und einer Pause, aber damit bin ich ja die letzten 2 Tage trotzdem auch irgendwie klar gekommen. Die zwei Meter ins Bad schaffe ich nur mit viel Mühe! Wie sollen denn da Heute 29 km bei dem vor mir liegenden Höhenprofil gehen?

Tja dann schauen wir doch mal nach Bussen... oder nicht?
Diese Unentschlossenheit, aber auch.
Naja das ist eben mein erster Camino, Tag 4 und irgendwie bin ich wohl noch nicht wirklich im Pilger-Alltag angekommen. Die Vorgabe der Etappen passt einfach nicht zu meiner körperlichen Situation und trotzdem bin ich nicht in der Lage auszubrechen und mehr auf meine Gesundheit zu hören und die Etappen so zu gehen, wie es zu mir gerade passt.

Ach, ich kann ja auch, solange ich noch im Bett liege, zuerst einmal mit dem Handy bei Youtube schauen, ob Irgendjemand ein Video von der Etappe hochgeladen hat. Dann kann ich erstmal sehen wie schlimm es Heute eventuell wird. Ein paar Videos später finde ich dann ein GPS-Track Video..

https://youtu.be/L5VTZ4qszQE

..und finde, dass es, bis auf den einen, lang gezogenen Anstieg, gar nicht so schlimm wirkt. Zumindest geht es nicht ständig rauf und runter, sondern immer eher gleichmäßig stetig nach Oben. Na, und die Blechfiguren hinter Pamplona will ich natürlich auch auf einem Foto haben. Also durchhalten, Zähne zusammen beißen und nicht auf den Bus ausweichen.
Ständig treffe ich ja auch auf andere Pilger denen es sicher nicht viel besser geht. So wie die amerikanische Familie, die ihre 80 jährige Oma mit dabei haben! Selbst die kommt da irgenwie jeden Tag durch! Auch Nobby scheint mit seinen 70 Jahren viel Fitter zu sein und jammert nicht herum. OK nach außen jammere ich ja auch nicht, das bekommt alles nur das Tagebuch ab.
Also Badewasser einlassen, nochmal eine kurze Wärmebehandlung! Stöcke auspacken (denn wenn ich das schaffen will, brauche ich heute jede Hilfe), eine Paracetamol zum Frühstück, die andere schon mal Griffbereit platzieren und dann gehe ich, so gut es eben geht.
Beim Zähneputzen merke ich mal wieder, wie ekelhaft das Chlorwasser aus dem Hahn in Spanien schmeckt. Ich trinke das zwar jeden Tag, aber ich hatte mir im Vorfeld eine Wasserflasche mit Filter gekauft. Die hängt immer am Brustgurt und da schmecke ich nicht die Spur von Chlor. 
Der Sonnenbrand, sieht jetzt nach meiner Vaseline, Sonnencreme, Wund- und Heilsalbe Kombinationsbehandlung auch fast gut aus. 

Okay, bin ja guter Dinge - also jetzt auch hier erstmal die Statistik.

Strecke: 21,21km
Schritte: 24.693
Höhe: 54 Stockwerke oder 466m
Blasen: 0

Bloß nicht zu lange in der Badewanne bleiben! Wenn die Füße runzlig werden, ist mir überhaupt nicht geholfen. Dann müssen eben mal fünf Minuten Badewanne ausreichen. Beim Rucksack mal alles neu ordnen und dann kann es gleich los gehen. Boah, ich bin begeistert! Toll, ich darf wieder wandern... 😜

Super, jetzt nach über 2 km quer durch Pamplona habe ich endlich mal wieder einen Pfeil vom Jacobsweg gefunden, war mein Hotel wohl nicht so ganz auf der direkten Route. Es geht bis jetzt sehr Eben eigentlich immer nur geradeaus, nicht rauf oder runter und ich komme trotzdem kaum voran.
No fun without pain!
Der Weg raus aus Pamplona ist OK, nicht schmuddelig, recht aufgeräumt und sauber, aber hält auch keine größeren Highlights bereit. Am Ortsende von Pamplona sieht man auch schon den kleinen Hügel in der Ferne, den es erstmal zu überwinden gilt, bevor es danach hoch auf den Alto del Perdon geht. Ein kleiner Anstieg nach Cizur Menor, schon ist der erste Hügel für Heute geschafft. Hier versorge ich mich in einem Mini-Markt mit Ei, Speck, Tomate und Brot (Mist, ich habe das Bier vergessen 😂) und mache meine erste Pause, hier im Ort in einem kleinen Park gleich neben einem Brunnen. Zeit also für Frühstück.

Erstmal schön auf einer Parkbank gemütlich machen. Der Kocher wird aufgebaut und nach einer kleinen Portion gebratenem Speck mit Ei und Tomate und zwei Tassen Kaffee kann es dann gestärkt und erstmal satt wieder mit neuer Kraft weiter gehen.
Nach dem Ort sieht man nochmal sehr gut, was jetzt vor einem liegt. Auch, wenn man dichter kommt, wird der Alto del Padron nicht kleiner. Also doch kein Scheinriese... Na wird schon werden;-)
Boah, wat'ne Quälerei für mein Knie und bis jetzt geht es nur Bergauf... und wie jeder Pilger weiß, „wo es rauf geht es auch immer wieder runter“ na das wird kein Vergnügen.
Der Weg schlängelt sich ohne jeglichen Schatten oder Bäume, in der prallen Sonne den Berg hinauf. Und das bei gefühlten 38 Grad. Mein Regenschirm, soll ja auch als Sonnenschutz funktionieren und jetzt ist höchste Zeit, das mal auszuprobieren. Mit meinem Neuen Sonnenschutz treffe ich auf Adrian aus Holland, der mit 67 Jahren, nachdem er 38 Jahre immerzu davon geträumt hat, sich ohne Zeitlimit auf den Weg gemacht hat. Ad erzählt mir viel von seiner Multikultifamilie, von Frau und Kindern. Mit seinem schnellerem Tempo zieht er mich bei einem guten Gespräch förmlich den Berg hinauf. Den nächsten Ort kann man schon sehen, scheint aber noch nicht die Spitze zu sein.
Da kommt eine schöne Stelle mit einem großen Baum, der viel Schatten spendet und ein wenig Grün zum hinlegen für mich bereit hält, gerade rechtzeitig für eine ausgedehnte Pause (es sollten ja heute auch deutlich mehr werden). Wir verabschieden uns voneinander und wünschen uns einen „buen Camino“. Ich lege mich in das kühlen Gras und genieße die Sicht zurück über Pamplona, die dahinter gut sichtbaren Pyrenäen mit ihren schneebedeckten Spitzen, sind wirklich sehr beeindruckend. Unglaublich, soweit man schauen kann, ist man alles alleine bis hier her gelaufen, bis jetzt gut 92 Kilometer. Okay, hier ist der Ausblick so schön, die Ruhe ist unglaublich, also Isomatte raus! Hier bleibe ich etwas länger.

Es ist ja auch schon 12 Uhr durch, also höchste Zeit für Middag!
Erstmal wird eine Banane gegessen und dann Kocher raus und die zweite Portion gebratenen Speck mit Ei und Tomate brutzeln. Liege hier zwar ein wenig wie auf dem Präsentierteller, ist mir aber völlig egal. Jetzt noch ein kühles Bier... das wäre ja garnicht mehr auszuhalten!

Ist ja echt wie auf dem Bahnhof hier. Zumindest Zeitweise! Und die Spanier, die hier mit ihren Hunden spazieren gehen, haben Mühe, ihre Hunde von meiner Pfanne weg zu bekommen... aber ein sehr schöner Platz, der viele nette Gespräche mit sich bringt.

Ich kann ja den Weg hier bis runter fast 2 km weit sehen, also immer gut zu erkennen ob jemand kommt oder nicht. Es ist mir zumindest niemand aufgefallen, also habe ich auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, als mir kurz ein Pupser rausrutscht.
Tja wie soll es auch anders sein, genau in dem Moment, kommt wie herbei gezaubert eine junge Spanierin um die Ecke und so wie sie mich anschaut, hat sie das definitiv mitbekommen (was sich später auch noch bestätigen soll...).

So jetzt ist es 13:30 Uhr - wird langsam mal Zeit wieder aufzubrechen. Noch ca. 14 Kilometer und der Abstieg kommt ja erst noch! 

Da kommt eine Nachricht von Nobby: "Ei mein Guder, habe jetzt aufgehört und bin in einer 10 Euro Herberge, mit Waschmaschine, sie heißt "EL JARIN DE MURUZABEL" liegt genau auf der Strecke, wohl 3 km vor der Stadt.
Mir langt's heut aber wirklich!! 
Dir muss es ja sauschlecht gegangen sein - Du Armer!
Würde mich freuen, wenn Du hier Halt machst,  bin um 7:20 Uhr los!!!!"

Wie jetzt, der ist schon da? Na okay, nicht ganz am Ziel! Aber 3 km davor! Bis dahin muss ich erstmal kommen. Verrückt wie er in seinem Alter, mich dagegen Alt aussehen lässt...
Immer mit Stöcken und Schirm bewaffnet komme ich in das nächste Dorf, und habe gleich die Möglichkeit um meine Wasserflaschen mal wieder aufzufüllen. Ohne anzuhalten geht es direkt weiter.  An einer Bar ernte ich mehrere Daumen hoch wegen meinem Schirm als Sonnenschutz.
Der Weg ist Heute für mich mit meinen Schmerzen aber auch sowas von öde! Eine blöde künstlich angelegte Ackerfurche in hellgrau mit Geröll-Steinen von exakt 1,80m Breite zieht sich von Pamplona unaufhaltsam den Berg rauf. So einen unnatürlichen langweiligen Drecksweg hoffe ich auf dem Camino möglichst nicht wieder zu sehen. Die Landschaft dagegen ist der Hammer - so was von schön, dass die Worte, um den Anblick zu beschreiben, erst erfunden werden müssten.
Wenn jemand hier oben landen würde und "Zack" einfach so da steht, würde er es sicher anders empfinden, denn ich glaube, man muss diese 14 km einfach selber mit allen Anstrengungen hoch gelaufen sein, um die Landschaft so aufnehmen zu können. Oben angekommen, ist der Blick zurück auf den ganzen Weg der letzten 4 Tage (+14km Pyrenäen hoch) und rechts die schneebedeckten Berge trotz der Erschöpfung und Schmerzen einfach nur fantastisch.

Hier oben gibt es jetzt einen kleinen mobilen Kiosk und der hat auch kaltes Bier, also kurz zur Erfrischung ein Bier geext und direkt weiter.
Der Weg ringt mir gerade noch ein müdes Lächeln ab. Sieht ein wenig aus wie in meinen Albträumen! Die letzten Tage waren bergab immer schon der Horror für mein Knie, aber das hier ist noch Schlimmer und trotzdem Stört mich das jetzt überhaupt nicht mehr! Ändern kann ich es ja doch nicht und dann komme ich eben erst um 22 Uhr an; iss mir doch egal.

Zum Fluchen reicht heute offensichtlich meine Kraft auch nicht mehr aus, denn trotz dem jetzt wirklich beschissenen Abstieg und heute mal Probleme mit dem rechten Bein, welches steif den Berg herunter eiert, hab ich noch nix gesagt.
Na, ich mache eben genug Pausen!

Die Strecke bergab, wirkt zwar deutlich natürlicher, aber es ist immer noch ein 1,80m breiter Geröllhaufenweg mit jetzt noch zusätzlich ein paar großen Steinbrocken dadrauf verteilt. Was natürlich das Gehen mit kaputten Beinen nicht einfacher macht.
Irgendwann überholt mich ein spanisches Pärchen und fragt ob alles Okay sei.
Ich antworte auf Spanisch: "Alles okay, bin nicht der schnellste, aber zwei oder drei Stunden mehr oder weniger ist jetzt auch kein Problem!". Sie schaut mich erstaunt an und meint: "2-3 Stunden? Du meinst wohl eher vier!?".
Seeehr aufbauend, wie mein Laufstil offensichtlich auf andere wirkt.
Eine Bank im Schatten wird wieder für eine Pause genutzt und jetzt wird ein Painkiller eingeworfen (ich muss ja irgendwann auch mal ankommen).
Das amerikanische Pärchen fragt im Vorbeigehen auch noch, ob alles okay ist und er erzählt noch schnell, das sie heute mal ihre Rucksäcke haben transportieren lassen und mal leichter unterwegs sind (die beiden dürfen das - wie oft ich die schon überholt habe und immer muss er stehen bleiben, um auf sie zu warten, weil sie nicht so gut zu Fuß ist. Schön, zu sehen, das die auch mal vorwärts kommen).
Ich treffe die beiden etwas später dann auch direkt wieder bei ihrer eigenen Pause, an einer schönen schattigen Stelle. Er hat eine Karte dabei und so weiß ich jetzt, dass es noch gut 6,5 km bis Puente de la Rein sind... puuuuh das wird nicht einfach.
In einem kleinen Dorf sehe ich zwei gemütliche Herbergen vor der einen sitzt ein Japaner und spielt sehr gut mit seiner Mini-Gitarre, bin kurz am überlegen hier meine Etappe für Heute zu beenden, aber in 2 km Entfernung sitzt ja der Nobby und ich hab lange nicht mehr mit jemanden länger quatschen können. Die Schmerztablette wirkt auch gerade gut, also gehe ich noch ein Stückchen weiter. Geht sich auch wieder richtig gut. Die Strecke ist wieder gerade ohne Steine und Geröll und die Herberge ist schnell gefunden. Bin ja gerade so im Fluss, dass ich noch kurz überlege, ob ich jetzt da bleibe oder doch noch weiter bis Puente la Reine gehen soll.
Na aber zumindest erstmal kurz den Nobby begrüßen, soviel Zeit muss sein.
Die Herberge ist wirklich sehr schön und als die Hospitaliero auch noch weiß, wer ich bin (Nobby hatte mich wohl schon angekündigt), bringt sie mich zu seinem Einzelzimmer und ich klopfe an.
"ACH NEE" kommt es aus dem Zimmer, "des darf ja ned war sein, wadde ich zieh mir kurz a Hos an". Die Tür geht auf und er nimmt mich direkt in den Arm. "mein Gott bin ich froh dich zu sehen".
Okay, dann bleibe ich sehr gerne hier, wenn ich schon so empfangen werde. Papiere abgeben und Stempel eintragen und klar fragt sie gleich nach dem Hotel Europa in dem ich ja die letzte Nacht in Pamplona verbracht hatte (wie schlimm, ein Pilger, der nicht in einer Herberge schläft). Die Bemerkung hätte sie sich gerne sparen können, soll doch bitte jeder für sich entscheiden können.

Tolle Herberge, ich bekomme das 14-Bett-Zimmer und bis jetzt bin ich noch alleine also kann ich mir mein Bett noch aussuchen.
Ein Deutscher ruft mit einem Mal: "Na, wen haben wir denn da? Bleibst du auch hier?". Ich habe keinen Schimmer, wer von den ganzen Leuten die man hier so trifft, er ist... "Wir haben uns doch an der Brücke getroffen!". Nee, ja iss klar! An der Brücke!  Danke für die Info!  Waren ja auch nur 20-30 Brücken auf den letzten Etappen! Naja wird sich eventuell noch aufklären wer er ist... Aber wenn jede Herberge so ist, kann man das echt immer machen. Waschmaschine, Trockner, Top Duschen, Küche und Aufenthaltsraum! Alles wirklich im tipptopp Zustand! Tischtennisplatte, Tennisplatz und Außenpool werden aber wohl nicht in jeder Herberge anzutreffen sein.

24,- Euro bezahle ich mit Pilgermenue, Frühstück und Übernachtung. Nobby bezahlt 76,- Euro, weil er ein Einzelzimmer haben wollte. Das sind dann 62,- Euro für das Zimmer, ist auf dem Camino schon eines der sehr sehr Teuren Einzelzimmer. Tja, in mein Zimmer kommt keiner mehr rein, also habe ich ein 14-Bett-Einzelzimmer und liege in Bett Nr. 6.
Der Supermarkt hier im Ort, hat nach Auskunft von der Hospitaliera erst ab 18:00 Uhr geöffnet und das passt ganz gut mit auspacken, duschen usw. bleibt genug Zeit.
Also auf gehts mit Nobby zusammen kurz nochmal schauen, um alles Nötige was für morgen auf dem Weg noch benötigt wird gleich noch zu besorgen.
Leicht zu finden ist der Markt allerdings nicht, wir laufen doch eine Zeitlang Recht Ziellos durch den Ort, so so so, Supermarkt also...? Lagerhalle oder Schuppen mit Regalen träfe es besser. Nobby sagt ja gleich: " Das ist da nicht, schau doch da liegen doch nur Säcke mit Dünger rum.". Ich gehe trotzdem da hin, weil, wo soll sonst in diesem Kaff noch was sein, wir haben ja auch schon in jeder Ecke mehrfach gesucht.
Klar ist es das! Der Besitzer fährt mit dem Gabelstapler durch seine Halle und der draußen parkende Bus erklärt dann einiges. Der verkauft tagsüber die Waren aus dem Bus in den Umliegenden Orten und die Halle wird am Abend für 1-2 Stunden als Markt für die Dörfler geöffnet. Verkaufen will er mir alles und redet "muj rapido" auf mich ein. Ich hab wohl ein paar mal zu Oft "si" gesagt, so dass er glaubt, ich verstehe jedes Wort. Bisschen Schinken, eine Ecke Käse, Dose Cola und 3 Bananen sollten für morgen reichen. Als er sieht, dass ich noch ein wenig am Suchen bin, legt er nochmal richtig los! Er hätte noch mehr Obst in seinem Wagen und ich solle mal mitkommen. Auf dem Weg dahin versuche ich ihm zu erklären, dass ich nur wenig Spanisch verstehe und dass er auch sehr schnell spricht. Okay, ja er weiß, dass er schnell spricht. Er wird auch nicht langsamer, meint aber noch, dass ich sehr gut Spanisch spreche... Ja iss richtig, wenn das noch einer sagt, glaube ich es bald selber...   

Zurück in der Herberge treffen wir noch auf 2 neue Bewohnerinnen, offensichtlich aus Spanien. Die eine kommt mir sehr bekannt vor. Ich glaube, die hatte ich im Laufe des Tages schon per Furz begrüßt! Mir war das heute Mittag schon peinlich genug und da ist die jetzt ausgerechnet in der selben Herberge... Scheint mich aber zum Glück nicht zu erkennen. Bis jetzt...

Beim Pilgeressen sitzen wir draußen auf der Terrasse, bei stimmungsvollen Licht durch die langsam untergehender Sonne und bekommen einen Salat mit Allem und Essig, Öl usw. zum selber würzen, dazu Brot und reichlich Rotwein.
Am Tisch sitzen wir beide, die zwei Spanierinnen und eine Gruppe die aus zwei Deutschen und einem Dänen besteht. Die drei haben sich vor vier Tagen in Saint Jean getroffen und haben sich offensichtlich gesucht und gefunden. Die zwei Spanierinnen gehen nur über das Wochenende, in vielen kleinen Abschnitten den gesamten Weg. Nobby ist leider sehr ruhig heute Abend, der Tag war wohl doch sehr anstrengend für ihn, aber wir haben ja zu Unterhaltung einen ganz tollen Haufen, mit den dreien!
Normal würde ich ja weiter nix sagen, aber so wie die auf die Kacke hauen; wer die sind und wie toll es da ist, wo die sind - und ach was die auch immer für einen Spaß zusammen haben...
Da weiß ich schon ganz genau, wo ich bei denen dran bin.
Der eine Typ, „ewiger Junggeselle" und „Pastorensohn“, ist der Redelsführer. Er hat mit seinem "Denglisch" das Sagen und führt das Gespräch an. "wie are sriii Pfanni Gais änd wär wie are sehr iss sso mäny fun". Alles klar! Okay, also wenn du Spaß haben willst und auf die drei triffst, solltest du lieber direkt weiter in die nächste Kneipe gehen.
Und die haben sich wirklich gefunden.
Mr. Dinglisch redet ohne Pause in diesem gruseligen Englisch, der Däne allein würde eventuell noch gehen, aber er passt trotzdem in die Gruppe!
Ach ja, und dann ist da noch die Brücke. Der „taffe Jungunternehmer“, der schon alles gesehen und gemacht hat - und natürlich hat er sich zum Camino auch erst zwei Tage vor der Abreise entschieden... booh, ich glaube ich muss ins Bett! Aber das Essen ist ja noch nicht fertig.
Es kommen noch Nudeln, Tortilla, paniertes Fleisch und eingelegte Paprika.
Beim Essen wird munter hin und her geplaudert und Nobby erzählt über mich: "ei ja, der schreibt jeden Tag sein Tagebuch, der schreibt da alles auf, was so passiert".
Da meint doch dann "die Brücke" besonders witzig zu sein und sagt: "Ja, klasse! Was schreibst du denn da rein? Ich hab einen Baum gesehen. Oder ich hab noch einen Baum gesehen..."
Jupp, das sagt schon alles über "die Brücke" aus. Der Camino ist eine Party, "wie are Pfanni Gais"... Ach ja, und es gibt hier auch Bäume.
Dann beginnt der große Wettbewerb, wer wie lange gebraucht hat für die heutige Strecke und ich bin mit meinen über 10 Stunden definitiv der langsamste. "Wie häve onli nied for auars änd twälv minits". Das wiederholt er mindestens drei Mal und fuchtelt dabei wichtig mit seinem Arm und zeigt ständig mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr... "Die Brücke" findet das total lustig und will unbedingt wissen was ich denn auf dem Weg so lange gemacht habe...
Na was wohl? Ich hab Bäume gepflanzt, damit solche wie du auch was vom Camino zu sehen bekommen.
Man, man, man, Karsten erstmal tief durchatmen und ganz ruhig bleiben!
Ich erkläre kurz, dass ich ja auch mehrere Pausen gemacht habe, unter anderen eine etwas länger unter einem großen Baum im Schatten.
Ups, jetzt ist bei ihr offensichtlich der Groschen gefallen und sie fragt auf englisch, ob ich ein anderes farbiges T-Shirt angehabt hatte und ob das auf dem Weg von... nach... war.
Das kann ich nur bestätigen und schon geht das Palaver in Spanisch mit ihrer Freundin los und mit einmal sind beide lauthals am lachen. 
Ja kann doch mal passieren! 😂🙈
Ein witziger Abend mit leckerem Essen und ein paar Peinlichkeiten geht langsam zu Ende und ich verabschiede mich dann auch bald ins Bett.
Muss ja auch noch 100 mal an die Tafel schreiben "ich habe einen Baum gesehen".
Nobby kommt direkt mit und drinnen verabreden wir uns, Morgen nach dem Frühstück mal zusammen in die Etappe zu starten.
Von meinem Bett aus hört man die Terrasse noch sehr gut und so darf ich bis 22:15 Uhr den "Sriii Pfanni Gais" noch lauschen und sehe vor meinem inneren Auge bei jedem "Jess Ei Sink sso" den „Pastorensohn“ wild gestikulierend mit dem Kopf nicken und mit dem Zeigefinger fuchteln auf seine Uhr zeigen.

Na ausnahmsweise Heute mal ein Fazit:
Hab immer genug Ei und Speck dabei!  
Mach bitte keinen Wettbewerb aus dem Weg.
Und pass auf, wo du furzt.

N8


Nicht jeder Tag hat soviel Text in meinem Tagebuch bekommen... Gruß Karsten und bleibt Gesund.
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ilfuchur
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von ilfuchur »

Huhu Karsten!
Seit gestern laufe ich mit einem dicken Grinsen im Gesicht herum (ich kam nur gestern nicht mehr zum Schreiben, tschuldigung) :D :D :D
Ich habe den Weg zum Alto del Perdón genau vor meinen Augen gesehen ... einmal in brütender Hitze und einmal bei Platzregen, was besonders von ihm herunter nicht wirklich eine Freude war, weil die Steine total klitschig waren. Und - schwups - habe ich wieder "meine" Pilgergruppe um mich herum, in die ich an diesem Tag hineingeraten bin und die mir sooooo gut tat.

Vorgeschichte dazu ist, dass ich bis dahin immer eine Dame um mich herum hatte, die ... nicht so ganz auf meiner Welle war (was sie ja aber darf, weil sie ja nun mal sie ist und meine Welle ja nicht immer die richtige sein muss). In Pamplona waren wir zusammen mit einem weiteren Pilger einkaufen und machten es uns im Garten der Herberge gemütlich zum Abendessen, von dem wir dann so viel hatten, dass wir noch zwei deutsche Stunden einluden, mit uns zu schmatzen. Die waren nun wieder mehr auf meiner Welle und guckten etwas hilflos, als die Dame sie fragte, was denn nun sie "auf den Weg gerufen" hätte. Ich musste so lachen, denn mit dieser Frage konnten die beiden so offensichtlich nichts anfangen! Nachdem ich ihnen zur Hilfe gekommen war ("Seid doch einfach ehrlich: Es kostet nicht viel und man erlebt eine Menge!") und so unumwunden Verständnis für sie hatte, entschloss sich diese Dame, ihren Camino ohne mich fortzusetzen und ich sah sie nie wieder. Hm.

Jedenfalls geriet ich just an diesem Tag in eine holländische Pilgergruppe und war zunächst furchtbar skeptisch: Sie wurden von einer Dame geführt, die immer die Betten für den nächsten Tag klarmachte, ließen ihre Rucksäcke transportieren und waren - tut mir leid, aber ich hatte bis dahin noch nie nette Menschen aus Holland kennengelernt - Holländer. Nein, eigentlich wollte ich mit ihnen nicht viel zu tun haben! ...

... was dann aber nicht ging, weil wir uns abends in Obanos in einer Bar wieder trafen, in der einiger Trubel herrschte. Und in dem saß ich, einzige Deutsche, beim Champions-League-Finale Bayern München gegen Chelsea, umringt von lautstarken Spaniern und begleitet von Holländern, die mir erklärten, wer da überhaupt für Bayern auf dem Platz stand. Na klasse! Weil um 10.00 Uhr, als die Herberge schloss (pünktlich!), das Spiel noch nicht zu Ende war, hockten wir zum Schluss brennend und Kraniche faltend um mein Handy herum und warteten ungeduldig auf eine Mitteilung von daheim, wie das Spiel denn nun ausgegangen war (ich glaube, Bayern hatte verloren).

Jedenfalls hat mich diese Gruppe an diesem Tag adoptiert und ich fühlte mich so wohl damit! Seither sage ich nie wieder etwas gegen Holländer (sie haben mir meine schönen Vorurteile völlig zerstört; so ein Käse!).

Allerdings war es eine kurze Freude, denn schon am nächsten Tag in Estella verabschiedeten sie sich von mir, weil das eigentlich ihr letzter Lauftag sein sollte.

Als ich alleine nach Los Arcos aufbrach, ich weiß es noch ganz genau!, war mir das Herz so schwer, dass es ständig irgendwie hinter mir herzuscheppern schien und jeden Schritt machte, als hätte ich ein Gummiband an den Füßen, das mich zurückzog. Dazu muss ich vielleicht noch sagen, dass ich auf diesem Stück des Caminos zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben alleine von zu Hause weg war. Ihr kennt das vielleicht: Erst fährt man mit seiner Familie in Urlaub, dann mit Freunden, dann mit Freund/Freundin, dann mit eigener Familie. Ich kam mir eh ein bisschen vor wie nur halb, und diese Hälfte wusste dann auch noch nicht, was sie mit sich anfangen sollte und wo sie eigentlich hingehörte. Und es regnete nun schon den mindestens dritten Tag in Folge und ununterbrochen.

In Los Arcos krabschte mich ein furchtbar lieber Hospitalero, befahl mir, mich nackig zu machen, in ein Laken zu hüllen und wusch und trocknerte mir erst einmal alle meine stinkenden und durchweichten Klamotten, so dass ich an die Herberge gefesselt war und erst zum Gottesdienst in die Kirche gehen konnte.

Gut, ich war inzwischen trocken, stank nicht mehr, aber das machte nur, dass ich nunmehr trocken und nicht mehr stinkend betrübt in einer Bank hockte; daran, dass mein Herz total schwer war, änderte das nichts. Ich hockte, von Gott, der Welt und meinen Holländern verlassen in meiner Bank und tröpfelte vor mich hin ... bis sich mir von hinten eine Hand auf die Schulter legte. Ratet mal, wer hinter mir saß! Genau, meine Holländer! Und dass wir den Pfarrer in seiner Predigt störten, war uns so was von egal: Hier war erst einmal Rudelpilgerknutschen angesagt (ich glaube, der Pfarrer fand das gar nicht so schlimm). Dann hockten wir da, fünf Holländer, eine Deutsche, Arm in Arm und ich kann euch sagen: eine davon war ganz schön glücklich! Arm in Arm kriegten wir anschließend unseren Pilgersegen, Arm in Arm standen wir noch ein Weilchen in der Kirche, jeder in sich und die Gruppe versunken ... und am nächsten Morgen machte sich eine Deutsche erneut schweren Herzens auf, alleine den Pfeilen zu folgen. Aber irgendwie ... tat es schon noch weh, aber nicht mehr ganz so dolle.

So, und jetzt muss ich mir die Nase putzen.

:arrow: :arrow: :arrow:
Pilger, die beim Gehen manchmal einfach nur Bauch und Füße sind - #Bauchfüßler eben.
Fred
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Fred »

Ciao Andrea,

Deine Vorurteile gegen holländische Pilgergruppen kommen aber nicht zufällig von 'SAINT JACQUES • Pilgern auf Französisch'?

Bleibt alle gesund...

Mario
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Annkatrin
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Annkatrin »

Habe gerade einen kleinen Bericht ausgegraben. Auf meinem ersten Weg bin ich noch nicht als Pilger gegangen, sondern fühlte mich noch eher als Wanderer auf dem Pilgerweg...

2008 Von der dänischen Grenze bis nach Itzehoe
1. Tag: Krusau durchs Schäferland nach Handewitt – Ochsenweg (22,5 km)
Bis ich endlich den alten Schlagbaum gefunden habe, muss ich ziemlich viel hin und her laufen. Danach bin ich so gut im Tritt, dass mir auf einmal auffällt, dass der Kirchturm von Handewitt in der Ferne schon wieder kleiner wird. Da habe ich wohl eine Abzweigung übersehen (der offizielle Weg geht an Handewitt vorbei, aber ich will hier übernachten).

2. Tag: Handewitt über die Autobahn(brücke) am Sankelmarker See vorbei nach Oeversee (19 km)
Unterwegs spricht mich ein Radfahrer auf mein Vorhaben an. Im „Historischen Krog“ (Nobelhotel) leiste ich mir nur einen Cappuccino, übernachtet wird in Frörup. Eine wunderschöne schlichte Kirche in Oeversee.

3. Tag: Frörup/Oeversee nach Idstedt (16 km)
Wiesen, begrenzt von Knicks mit Kühen. Bei Frau Petersen bin ich der einzige Gast in einem vorsintflutlichen Privatzimmer. Das Frühstück ist reichlich und sie gibt mir eine Tüte für das zweite Brötchen. Ich erzähle nicht, dass ich schon eine Tüte in der Tasche habe, weil ich mir immer das zweite Brötchen einpacke, denn ich esse nur ein Brötchen und eine Scheibe Brot, vielleicht noch ein Ei. Zum Glück hat der einzige Gasthof heute nicht Ruhetag, aber dann hätte ich wohl bei Frau Petersen etwas zu essen bekommen.

4. Tag: Idstedt ( S-H ist so schöööön ) nach Schleswig (20 km)
Hier gönne ich mir eine richtig schöne Unterkunft in „Bed und Breakfest am Dom“. Die Einrichtung, der kleine Garten, wie aus „Schöner Wohnen Toskana“. Heute esse ich zu den Bratkartoffeln, die ich mir fast jeden Abend gönne, leckeren gebratenen Hering – und trinke mein obligatorisches Bier. Wenn die fünf Herren am Nebentisch keine Segler sind... Wenn ich denen erzähle, dass ich mich auf der Ostsee und in der dänischen Südsee gut auskenne, kann das ein langer Abend werden. Aber jetzt bin ich in anderer Mission unterwegs. (Anm. damals hat mir an der Frühstücktafel ein Schweizer Ehepaar unbedingt zum Camino Frances geraten.... Aber erst musste ich durch D nach Trier)

Seelenfenster
Von Zeit zu Zeit sich zurück ziehen,
in das Haus unserer Seele,
schweigen, ausruhen,
ganz für sich sein.

Die Seelenfenster vom Staub
des Alltags befreien,
an verschlossenen Türen rütteln,
sich selber auf den Grund gehen
und dann hinaustreten in die Sonne:
Da bin ich wieder!

Diesen Text gab mir meine Yogalehrerin mit auf den Weg. Besser kann man meine Situation nicht beschreiben!

5. Tag: Schleswig über Haithabu (Wikingersiedlung) nach Kropp (22 km)
Es ist so schön warm, aber nicht heiß. In Selk finde ich einen wunderschönen Rastplatz an der Schlei für meine Mittagspause. Bevor ich esse, ziehe ich mir die Stiefel aus und da ich möglichst auf einer Bank Pause mache, lege ich mich danach noch ca. 20 Min. lang. Soviel Zeit muss sein und der Rucksack unter dem Kopf – das passt schon. Heute geht der Weg tatsächlich durch ein Gebäude, das zu einer Wassermühle gehört. Wunderschöner See, ich kann mich nicht satt sehen. Bis Kropp muss ich dann ein ziemlich langes Ende auf einer Teerstraße gehen. Das nicht einmal kleine Hotel ist komplett ausgebucht, wie ich beim Essen von der Tischnachbarin erfahre. Gut, dass ich letzte Woche schon gebucht habe. Ich wollte es erst gar nicht glauben, als man mir am Telefon sagte, ich bekäme das letzte Zimmer. Aber in Rendsburg ist NORLA / Messe.

6. Tag: Kropp auf Sandwegen durch Heidelandschaft nach Rendsburg (25,8 )
Meine Güte, ist das hier schön. Es ist wieder der Ochsenweg. Mir wird bewusst, dass „man“ in Schleswig-Holstein entweder an die Nordsee oder die Ostsee fährt. Dabei ist es hier auf dem Mittelrücken wunderschön. Ich bin nur froh, dass ich meine Unterkünfte vorgebucht habe, denn wenig Tourismus heißt natürlich auch kaum Infrastruktur. In Fockbek frage ich eine älter Dame die auf den Bus wartet, wo man hier Kaffee trinken kann. Da sagt sie: “Wenn ich mich jetzt nicht mit meiner Freundin verabredet hätte, würde ich Sie zu einem Kaffee einladen.“ Das ist ja mal nett. Bis zu meiner Unterkunft, wieder Pension, habe ich noch eine ganze Strecke vor mir, denn ich muss nach Büdelsdorf. Dahin gehe ich an der Hauptstraße und es steht fest, morgen fahre ich mit dem Bus zurück nach Rendsburg. Hier in Büdelsdorf habe ich mal möbliert gewohnt, als ich mein Praktikum bei der Schleswag machte. Lang ist’s her.

7. Tag: Rendsburg über Westerrönnfeld nach Jevenstedt (17 km)
Nach dem Gottesdienst in der Christkirche geht es durch bekannte Straßen und den Fußgängertunnel (Nord-Ostsee-Kanal) nach Westerrönnfeld. Es ist noch recht warm, dass ich denke, in Spanien würde ich gar nicht wandern wollen, da wäre es mir zu heiß. Mal sehen, ich fang ja gerade erst an. Im Hotel in Spannan ist man von der NORLA, die heute zu Ende geht, geschafft. Ich bekomme noch etwas zum Abendbrot, aber dann sagt mir die Vermieterin wo das Bier steht und geht. Spät abends höre ich dann, dass doch noch ein weiteres Zimmer vermietet ist. Ich stelle fest, dass es mir überhaupt nichts ausmacht, alleine zu wandern oder ein „verlassenes“ Hotel zu bewohnen. Die Wanderung ist anstrengend, aber ich fühle mich wohl. Abends rufe ich zu Hause an, bin aber fast erleichtert, wenn mein Mann noch nicht da ist. Dann sage ich ihm auf den AB, wo ich gerade wohlbehalten angekommen bin. Von dem ganzen Trubel zu Hause muss ich gar nicht soviel wissen. Jetzt ist PAUSE!

8. Tag: Spannan auf historischen Pfaden bis Hohenwestedt (18 km)
Heute laufe ich öfter mal auf Abschnitten den Ochsenweges, die historisch belegt sind. Die meiste Zeit ist der Ochsenweg nicht auf dem historischen Pfad möglich, weil sich dort die neuen Straßen/Autobahn befinden. Ein älterer Mann auf dem Fahrrad - ein Altenteiler (Anm. das ist ein Bauer in Rente), erkenne ich an der Mütze :lol: - kommt mit mir ins Gespräch. Als ich von meinem Vorhaben erzähle meint er: “Und zu Hause eine Betriebshelferin?“ Ich gehe noch eine Weile schmunzelnd meinen Weg. Wie kommt er darauf, dass wir Landwirtschaft haben. Sehe ich so aus?? Nein, so laufen alle Wanderer herum, obwohl – ich habe auf meinem Weg noch keinen Wanderer getroffen. Aus meinem Zimmer in Hohenwestedt sehe ich, wie ein Mann in der Kirche verschwindet und flugs laufe ich hinterher, um mal einen Blick hinein zu werfen. Ich treffe hier auf dem Weg leider auf mehr verschlossene als auf offene Kirchen.

9. Tag: Hohenwestedt (Bus bis Jahrsdorf) bis Itzehoe (29,5 km)
Die Strecke erscheint mir heute zu lang und deshalb nehme ich für einen kleinen Abschnitt den Bus und dann geht es nur durch die Natur über Hohenlockstedt nach Itzehoe. In der Umgebung von Hohenlockstedt habe ich mich ziemlich „verfranst“. Ich frage eine Frau mit Hund nach dem Weg und da sie es schwer erklären kann, nimmt sie mich kurzerhand ein Stück im Auto mit und lässt mich bei der nächsten Muschel wieder heraus. Man findet tatsächlich immer Jemanden, wenn man „keinen Plan mehr hat“. Der alte Bahndamm nach Itzehoe ist ganz schön, aber dann muss ich wieder ziemlich lange an der Straße laufen, bis ich zum Bahnhof komme. Die vielen Autos und der Lärm nerven.

Fazit: Die Jahreszeit ist hier im Norden optimal zum Wandern. Es hat sich im Nachhinein als gut erwiesen, die Unterkünfte vorzubuchen (Adressen im Reiseführer)
Reiseführer „Via Jutlandica“ von Fred und Ute Hasselbach über www.jakobswege-norddeutschland.de

Es ist eine wunderbare Auszeit, bewusst alleine zu gehen, gerade weil mein Alltag zu Hause sehr lebendig und vom Organisieren geprägt ist.
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Pater Norbert
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Pater Norbert »

Danke,

viele Orte erkenne ich wieder - und es ist dasselbe Jahr.
Wer pilgert, wird von einem Virus infiziert, das nicht vergeht.
Gemerkt im März 2022. Avatar stammt aus Juni 2023.
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ilfuchur
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von ilfuchur »

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Heute kriegte ich eine Nachricht, in der ein Pilger seinen Nichtpilgerfrust in einem kräftigen Schluck Oroujo hierbas ersäufte, und musste an eine sehr lustige Geschichte denken: Vor zwei Jahren ging ich auf dem Camino Primitivo nicht über die Hospitales-Route, sondern über A Pola. Irgendwie war ich körperlich und bauchlich nicht gut drauf und das Wetter hatte just bei meinem Start in Campiello umgeschlagen.
Übernachtet habe ich aber nicht in A Pola, sondern einen Ort weiter in Penaseita. Bis ich dort ankam, fand ich das auch eine wirklich gute Idee, denn so hatte ich für den nächsten Tag 3 km gespart. Als ich dort ankam ...

Die Bar, in der es den Herbergsschlüssel geben sollte, hatte geschlossen. Ruhetag. Na Bravo! Vor dem fast einzigen anderen Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein älterer Herr, der mich aber sofort auffing: Neinneinnein, ich brauche keine Panik zu haben (na, das hätte er auch zwei Sekunden früher sagen können, jetzt war es zu spät!), zur Herberge müsste ich nur wenige Schritte in diese Richtung und da wären auch schon zwei andere Pilger!
Die Herberge sah von außen auch wirklich nett aus ... und wäre auch innen sicherlich netter gewesen, hätte da nicht eine junge Frau all ihre Trostlosigkeit in den Räumen verteilt. Der andere Pilger - er heißt Santiago! - war nur an seinen Atemgeräuschen auszumachen (und genau der sagte mir ein paar Tage später, er habe eine sehr glückliche Nacht gehabt, weil er sich stets ganz sicher war, dass ich noch schnaufte! :shock: ). - Na Bravo! Ich suchte mir ein Bett aus, leistete unter der Dusche einem Wurm (ich nannte ihn Fritz, weil er mich so an einen meiner früheren Chefs erinnerte), der gerade an den Fliesen hinaufkraxelte, Gesellschaft und überlegte mir ernsthaft, wieder nach A Pola zurückzugehen.
Jetzt muss ich mal sagen: Die trostlose Dame, K., ist ein echtes Herz auf zwei Füßen ... nur eben ... vom Typ her ... mehr der das-Glas-ist-leer-und-nicht-halbvoll-Mensch. Aber glaubt mir: Santi hat auch das hingekriegt!
Als ich schon wieder dabei war, meinen Schlafsack einzurollen, wachte Santi auf und begrüßte mich: Wie schön, dass du da bist! Wo kommst du her? Aus Deutschland? Ich kann auch Deutsch! Eine Freundin hat mir einen Satz beigebracht: Ik bin eine schöööne Blumäää! - Muss ich dazu noch etwas sagen?
Santi hatte auch die dörfliche Lage schon ausbaldowert: Die Bar hätte zwar geschlossen, aber wir brauchten nur zu klingeln und dann bekämen wir ein kaltes Abendbrot und Wein. Der sei gar nicht schlecht! Das wussten wir bald alle drei, denn er hatte 1,5 l in seiner Trinkflasche und das reichte für den ersten Durst. Als wir uns später einen Korb Brot und eine Platte mit Schinken und Käse holten, nahmen wir selbstverständlich Nachschub mit und...
Ich muss wirklich sagen: So trostlos und grausig mein Ankommen in dieser Herberge war - nach einer nächsten Flasche Wein (für mich alleine, weil Santi und K. lieber Weißwein mochten) wurde sie richtig heimelig und schön! Auf jeden Fall verbrachte ich dort den lustigsten Abend dieses Caminos! Der Hospitalero hat bestimmt hinterher gedacht, wir hätten Klopapier geklaut, weil ich so viel davon verbrauchte, um mir die Nase zu putzen und die Tränen abzuwischen! Am nächsten morgen wurde ich von Santi geweckt, mit einer Tasse dampfenden Einrührkaffee von K., aufgekocht in einem schmuddeligen Topf, auf einem Einplattenkocher, den hätte kein halbwegs vernünftiger Mensch freiwillig eingeschaltet, kredenzt in einem schmuddeligen Plastikbecher (aber er war ja vom Wein am Vorabend desinfiziert) und ich schwöre: Ich hatte nie zuvor so ein leckeres Gesöff!

Oh, ich glaube, jetzt verstehe ich, warum die Menschen so viel Klopapier brauchen! :twisted:


:arrow: :arrow: :arrow:
Pilger, die beim Gehen manchmal einfach nur Bauch und Füße sind - #Bauchfüßler eben.
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Frau Holle
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Frau Holle »

(Hier war ein Aprilscherz)
u l t r e i a
Torsten
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Torsten »

Frau Holle hat geschrieben: 1. Apr 2020, 13:00 (Hier war ein Aprilscherz)
April April 😉
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Birgit
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von Birgit »

Hallo liebe Pilgerinnen und Pilger,
ich habe von Cordula Rabe (schreibt die Reiseführer beim Rother Verlag) einen Link zu ihrem interessanten Blog ihrer letzten Jakobswegreise 2019 bekommen. Wer den Link gerne haben möchte, der schreibe mir einfach eine Email.
Liebe Grüße
Birgit
In ihrem Blog macht sie auch Werbung für ihre Reiseführer, deshalb stelle ich den Link nicht ins Forum.
2008 - Jakobsweg Tirol
2009 - 2014 Jakobsweg Schweiz - Frankreich
2015 - Camino Frances
2016 - Franziskusweg
2017 - Camino del Norte
2018 - Camino Portugues
2019 - Via de la Plata
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altbrummi
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Re: PIlgerischer Lesevirus

Beitrag von altbrummi »

Hätte gerne die e mail adresse .
Danke Altbrummi
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