Das Zeit-Geld-Paradoxon

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Joker
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Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von Joker »

Ich habe auf meinen Caminos in Gesprächen mit Pilgern folgendes wahrgenommen:

Es gibt junge Pilger (nach dem Abi, zwischen zwei Studiengängen, vor dem Beruf etc). Die haben idR Zeit, aber wenig Geld. Die hängen gern noch ein paar Tage dran und sind da mega entspannt. Da entscheidet oft das Geld, wohin und wie lang es geht.

Dann gibt es Pilger wie mich (57 Jahre): ich habe genügend Geld, aber es fehlt an Zeit für ein ausgiebiges und vllt spontanes Pilgern (Familie, Kinder, Enkel, Beruf). Jeder Camino ist ein Meisterwerk der Terminplanung und mehr als 15 Arbeitstage sind nie drin.

Habt Ihr da ähnliche Beobachtungen gemacht?
„Nicht alle, die wandern, sind verloren …“

Gandalf
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Simsim
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von Simsim »

Nö.....Ich traf Pilger jeden Alters aus den verschiedensten Lebensumständen und Kulturen, mit viel oder wenig Geld.
Ich sah junge Pilger jede Bar auf dem Weg besuchen und Einzelzimmer buchen. Auch andere, die mit ebenso knappen Budget wie ich (10-12€/Tag) monatelang unterwegs waren.
Ich selbst bin bald 62 und reise immer noch steinreich an Zeit und sehr knapp bei Kasse :).
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Icecube84
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von Icecube84 »

Hola,

nee, ich kann dem auch nicht zustimmen.
2015 (31 Jahre) war ich 31 Tage in Spanien, trotz Job und Tieren zu Hause und mit knappen Budget.
2019 (35 Jahre) waren es 23 Tage, noch immer mit Job und Tieren, dafür mit etwas mehr Budget inzwischen.
2021 (37) waren es wirklich nur die beobachteten 15 Tage...
Danach, ja, auf Grund der Tiere immer nur eine Woche bis 10 Tage.
Dieses Jahr werden es wieder 25 Tage (40) sein, mit Job, inzwischen ohne Tiere. Budget höher als vorher...

Allein an meinem Beispiel sieht man, dass man das an nix speziellem festmachen kann...
Buen Camino,
Jani

Camino francés / Pilgerweg McPomm / Camino portugués / Jakobusweg Lüneburger Heide / Via Scandinavica
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Monoeagle
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von Monoeagle »

Auf dem Weg letztes Jahr traf ich auch alle Varianten. Vom Malerfolientarp Pilger bis zur Luxusvariante. Vom Schüler/Studenten bis zum Rentner mit Sauerstoffgerät. Alles dabei gewesen. Leute mit wenig Zeit und Leute die jetzt noch unterwegs sind und ich bin bereits seit August letztes Jahres wieder zurück, aber im Kontakt geblieben. :)

Bei mir schaut's aktuell so aus:

2017 30 Tage, Budget sehr klein, 2600km mit dem Rad
2023 145 Tage, erste richtige Langstrecke zu Fuß, Budget bei 41EUR/Tag gelandet, wurde bei max. 50EUR/Tag geplant
2025 108 Tage, wird die 2te Langstrecke zu Fuß, Budget wird definitiv viel geringer ausfallen, Lernkurve vom letzten Jahr

Zeit ansammeln geht halt nur wenn man in dem Jahr dazwischen keine großen Sprünge macht, Schichten schiebt und den Jahresurlaub ins
nächste Jahr schiebt. Damit ist die Grundlage für viele Tage schonmal gelegt. :)
2023: Trier -> Vézelay | Limovicensis | GR10 -> Bidarry -> Bayonne | Camino del Norte -> Ribadeo | Camino del Mar | Camino Inglés | Camino Muxia-Fisterra
Joker
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von Joker »

Dank für Eure Meinungen.

Ich werde meine These mal auf der Via Francigena prüfen und ggf revidieren.

Vllt ist auch nicht das Alter ein Knackpunkt, sondern die jeweilige Lebenssituation.

Bei mir früher: Job (Schichten, zeitintensiv), wenig Geld, kleine Kinder, Frau im Schichtdienst. Da war ich froh, wenn meine Urlaubstage die Ferien der Kindern abdeckten. An Alleinreisen war für mich nicht zu denken

Bei mir heute: Job (entspannt, weitgehend freie Zeiteinteilung), Geld reicht gut aus, Kinder aus dem Haus, Enkelkinder, Frau zu Hause...Nun splitte ich meine Urlaubstage so das Zeit ist für Frau, Kinder und Enkel habe. So komme ich auf Ich-Zeit von ca. 15 Tagen Arbeitstagen.
Von längeren Reisen bin ich noch weit entfernt, weil ich halt auch gern Urlaub mit Frau und Enkel verbringe...

Aber wenn ich in Rente bin.... :D :D :D :D
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Gandalf
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Icecube84
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von Icecube84 »

Ja, da hab ich wirklich Glück. Ich bin glücklicher Single ohne Kinder. Daher bin ich total frei in meinen Entscheidungen
Buen Camino,
Jani

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ilfuchur
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von ilfuchur »

Ich muss gerade an zwei Mitpilger denken, die ich 2012 in Pamplona traf - beide Studenten. Eine Mitpilgerin fragte sie, was sie denn "auf den Weg gerufen" habe. Die beiden waren ein bisschen ... verlegen. Ich glaube, mit dem "Ruf" konnten sie nicht so wirklich etwas anfangen und sie guckten ziemlich betreten drein. Ich half ihnen aus der Patsche: "Ihr könnt ruhig ehrlich sein: Man erlebt wirklich viel für wirklich wenig Geld!" Den beiden ging es schlagartig besser und die Mitpilgerin wollte schlagartig nichts mehr mit mir zu tun haben. :roll:
Aber die Jungs waren wirklich nett, gaben mir am nächsten Tag auf dem Perdon ein Stück Schokolade ab und halfen mir in den Poncho :D

Camino ist halt manchmal wie wahres Leben: Wenn man jung ist und viel bräuchte, weil man sich noch ausstatten muss, hat man wenig. Wenn man älter ist und nicht mehr ganz so viel braucht, weil man ganz gut ausgestattet ist, hat man mehr. - Ausnahmen bestätigen, auch wie im wahren Leben, die Regel. Ich traf auch Menschen wirklich gesetzten Alters, die irgendwie nicht viel mehr als das, was sie im Rucksack hatten, zu haben schienen und ich traf einen sehr viel jüngeren Menschen, der auch so aussah, was aber ganz und gar nicht stimmte. Und wie im wahren Leben dachte ich: Sei vorsichtig damit, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen (also wer mich unterwegs nach meinem Äußeren beurteilt, hat völlig recht: schrunzelig, stinkig, komplett verlebt und echt zu nichts halbwegs Vernünftigem fähig).


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Pilger, die beim Gehen manchmal einfach nur Bauch und Füße sind - #Bauchfüßler eben.
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ldrunner2
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von ldrunner2 »

ilfuchur hat geschrieben: 6. Mär 2024, 10:56 ...
Und wie im wahren Leben dachte ich: Sei vorsichtig damit, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen (also wer mich unterwegs nach meinem Äußeren beurteilt, hat völlig recht: schrunzelig, stinkig, komplett verlebt und echt zu nichts halbwegs Vernünftigem fähig).
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Die übliche Frage "Heute schon gelacht?" konnte ich bis eben nicht bejahen.

Jetzt aber ja, ... nach den Worten in der Klammer und dem anschließenden Blick auf das Benutzerfoto :lol:

Danke, dass ich mal wieder richtig lachen konnte!
Bon Camino

Camino Portugues, Camino del Norte, Camino Vasco del Interior (Irun - Dulantzi), Camino Muxía y Fisterra,
Camino Primitivo retour
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ilfuchur
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von ilfuchur »

😇😇😇

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angel2969
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Re: Das Zeit-Geld-Paradoxon

Beitrag von angel2969 »

hi,
gut auf Rosen bin ich auch nicht gebettet, aber das Zeitproblem war in den letzten Jahren das größte Manko, immer im Kopf haben wann der Urlaub endet, zum Glück durfte ich meinen ersten Camino mit sechs Wochen Zeit erpilgern - eine prägende Erfahrung. Ich weiß noch auf dem ersten Teilstück des Camino Frances war ich so entspannt, dass ich fast meinen Rückflug verpasst hätte. Seitdem kommt immer 2 Tage vor Abreise eine Erinnerung ins Handy. Mein Wunsch war immer den Weg am Stück zu gehen, das scheitert aber trotz Rente an familiären Verpflichtungen, so dass ich im April in Chagny starte und schaue wie weit ich in meinem Zeitfenster komme, ich freue mich trotzdem darauf, einfach Bohne die Zeit im Nacken den Weg genießen zu können und wenn ich kürzer gehen möchte oder bleiben möchte dies machen zu können. Ich werde also so weit wie die Zeit und die Finanzen reichen nutzen und freue mich einfach und dann geht es nächstes Jahr weiter.
bc angel
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