@Stefan,
Der Sultan's Trail ist nicht das gleiche wie der Pilgerweg nach Mekka, oder? Der Sultan's Trail folgt den Raub-, Mord- und Eroberungszügen verschiedener Sultane, die nach der Einnahme von Konstantinopel und der Zerstörung des byzantinischen Reiches auf dieser Route andere Nationen unterworfen und bis vor die Tore Wiens vorgedrungen sind (wo die Österreicher letztlich von den polnischen Husaren gerettet wurden). Manche, so hab ich gehört, finden den Namen geschmacklos und sagen, man macht ja auch keinen "Hitler's Trail" und folgt dem Weg der Wehrmacht nach Paris. Dazu muss man vielleicht verstehen, dass es in Ostösterreich und in Ungarn kaum ein Dorf gibt, das nicht von Knabenlese und Verwüstung betroffen gewesen wäre. Ich verstehe diese Kritik, aber ich sehe das nicht so. Ich denke genau deswegen sollte man solche kriegerischen Wege nachzeichnen und bewusst im Geist des Friedens, der Vergebung, der Heilung gehen und Verbindung schaffen, wo unsere Vorfahren Blut vergossen.
Aber wie gesagt, der Sultan's Trail ist nicht nicht der "Pilgerweg nach Mekka", auch wenn er für westliche Muslime gewiss einen Abschnitt auf ihrem viel längeren Weg darstellen kann. Der Sultan's Trail lädt als Trail auf einen Weg, der einen Start- und Endpunkt hat und für alle Menschen offen ist. Von daher ist er für alle Geher grundsätzlich relevant. Der "Pilgerweg nach Mekka" nicht. Dir ist es, wie du geschrieben hast, nicht wichtig, das Ziel eines Weges zu erreichen, weil der Weg alleine zählt. Das ist ok. Aber für viele ist das wohl nicht so. Stell dir vor, Santiago und sein Umland wären für alle Nicht-Katholiken gesperrt. 30km vor dem Ziel wäre für diese Leute Schluss. Ja, den Camino und sein Feeling könnte man auch auf den hunderten von Kilometern davor erleben, aber viele fänden es wohl unbefriedigend (wenn ich allein schon an die Diskussionen um die Compostela hier im Forum denke). Würden die Leute dann den Camino gehen? Oder würde es Sinn machen ihn für diese Leute "Camino de Santiago" zu nennen, wenn ihnen das Betreten von Santiago verboten wäre? Wieviele werden also auf einen Weg nach Mekka aufbrechen, wenn sie Mekka und das Umland als unreine Ungläubige nicht betreten dürfen? Solange also die saudischen Wahabiten die heiligen Stätten des Islam kontrollieren wird ein Weg mit Mekka als Ziel nunmal ein muslimischer Weg sein, da sie ihn allein komplett begehen können. Ich hab kein Problem damit. Ich toleriere die Ansicht, dass ich in den Augen von Muslimen ihr Heiligtum durch meine Gegenwart verunreinigen würde und daher meine Anwesenheit verboten wird. Ich habe auch toleriert, dass ein Athosmönch für den ich als Papist ein schlimmer Häretiker bin, mir erklärte, ich dürfe als katholischer Priester auf dem Athos während meines Aufenthalts nicht die Messe feiern (auch nicht privat), denn das sei dem Herrn ein Gräuel. Dass also katholische Laien leichter für ein paar Tage auf den Athos kommen, als ich, katholischer Priester, habe ich respektiert, hingenommen und den Athos am Heimweg von Jerusalem ausgelassen. Und auch wenn ich direkt daran vorbeigelaufen bin habe ich den Abschnitt dorthin übrigens nicht meinen "Pilgerweg zum Athos" genannt. Pilgerwege haben für mich ein Ziel. Und kann ich das Ziel von vorne herein nicht erreichen, dann macht es für mich wenig Sinn, den Weg zu gehen. Einfach zu gehen, um zu gehen, nenne ich Spazieren. Das tu ich auch. Das ist schön. Aber auch wenn ich bis zum Basecamp den identischen Weg laufe wie Reinhold Messer dann rede ich nicht von meinem "Weg zum Gipfel des Mount Everest", wenn ich dort unten und er dort oben war.
Mit dieser Unterscheidung noch zu deinen Fragen und Punkten:
- ich habe keine Statistik zum Sultan's Trail. Und eine Pilgerstatistik schon gar nicht, weil der Sultan's Trail kein Pilgerweg sondern eine Kultur-wander-route ist. Aber weil der Sultan's Trail für alle offen steht und Wandern in der Türkei selbst nicht sehr weit verbreitet ist, vermute ich, dass er von mehr Europäern als Türken begangen wird und daher der Anteil der Muslime ähnlich hoch sein wird wie in der europäischen Bevölkerung generell. Fusspilger nach Mekka aus Europa, die den Sultan's Trail als Abschnitt genutzt haben, gab es in den letzten 10 Jahren vermutlich weniger als 10 (ich weiß nur einen). Aber das ist natürlich eine reine Vermutung. Sorry. Echte Zahlen hab ich keine.
- ich weiß nicht, ob es Leute gibt, die Konsequenzen für ihr Seelenheil befürchten, wenn sie Richtung Mekka laufen. Ich glaub nur, dass wenige losziehen werden, wenn ihnen das Ziel verboten ist. Wer bricht zum Beispiel auf den Weg nach Jerusalem auf, wenn in Israel selbst gerade wegen eines Kriegs die Einreise verboten wäre. Viele sind vielleicht bereit Teile wie Syrien im Notfall auszulassen. Aber das Ziel? Wenn man von vorne herein weiß, dass man nicht hinkommt? Auch nicht in einem "Teil 2" ein paar Jahre später? Du gehörst hier vielleicht zu den wenigen Ausnahmen. Schön für dich.
- Mein Jerusalemweg hat mich südlich des Wadi Rum bis auf ein paar Kilometer an die Saudische Grenze geführt. Nur war es kein "Pilgerweg nach Mekka", weil Mekka eben nicht das Ziel war. Ich hatte übrigens in der Routenplanung auch Varianten über den Iran, den Golf und Saudiarabien angesehen um Syrien zu umgehen, aber da die Saudis auch Bibeln verbieten und deren Besitz bestrafen wird es auch für "(gläubige) Protestanten" (und katholische Priester sowieso) dann schnell mal ungemütlich - nicht für das Seelenheil, sondern für das leibliche Heil. Allen, die sich für Mekka interessieren, empfehle ich generell eine Auseinandersetzung mit dem Islam. Ich hab unterwegs in den muslimischen Ländern den Koran gelesen (später einen Teil der Hadithen) und viele Gespräche gehabt. Verdichtet habe ich später meine Begegnungen in dieser Reihe hier:
https://www.youtube.com/playlist?list=P ... LVZy62BAbs