Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
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Simsim
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Re: Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Beitrag von Simsim »

Interessant, dass Du das so einbringst!

Bis Anfang November, als ich dieses Jahr auf dem Camino heftig krank wurde, trank ich seit vielen Jahren fast täglich ein ganz kleines Gläschen Rotwein und auf dem Camino auch manchmal ein großes Glas.
Ich dachte, dass eine so kleine Menge (deren Wirkung ich aber deutlich wahrnahm) irgendwie keine Rolle spielt und nicht schadet.

Seit nun fast 2 Monaten habe ich keinen Tropfen mehr getrunken. Und ich muss sagen, dass es einen ziemlichen Unterschied macht. Ich fühle mich klarer, emotional stabiler, fokussierter, ruhiger, schlafe viel besser, bin abends weniger müde u.s.w.. Es hat nur Vorteile...

Wenn ich aber sehe, welche Mengen auf dem Camino reiingeschüttet werden....so krass. Alkohol ist wirklich ein Nervengift und beeinflusst ohne Zweifel den Menschen auf allen Ebenen extrem stark.und wenn ich dann die stark angetrunkenen Leute beobachte, frage ich mich, ob sie wirklich "Spass haben"...was ist das eigentlich? Einfach nur der Genuss, sich etwas ungehemmter zu fühlen?
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Tritta
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Re: Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Beitrag von Tritta »

Simsim hat geschrieben: 30. Dez 2023, 15:40
Seit nun fast 2 Monaten habe ich keinen Tropfen mehr getrunken. Und ich muss sagen, dass es einen ziemlichen Unterschied macht. Ich fühle mich klarer, emotional stabiler, fokussierter, ruhiger, schlafe viel besser, bin abends weniger müde u.s.w.. Es hat nur Vorteile...
Echt jetzt? Das hätte ich dann so nicht erwartet. Gut dass du den Alkohol auch wieder weglassen kannst.

Mich hat an Alkohol (und anderen Drogen) schon von eh her gestört, dass es das Bewußtsein beeinträchtigt und ich das so nicht will.
Ich trinke nur wenig alkoholisches, mal ein Schluck Rotwein oder so (meistens beim Mann gemopst 8-) ); ich brauch es einfach nicht.

Und gaanz schlimm: Speisen, die nach Alkohol schmecken. Das geht bei mir garnicht. :lol:
Joker
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Re: Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Beitrag von Joker »

Meine Caminos und der Alkohol

Auf meinen Caminos trinke ich keinen Alkohol und verzichte auf Zigarren. Auf das Glas Wein zum Pilgermenu oder in geselliger Runde verzichte ich. So schlage ich mehrere Fliegen mit einer Klappe: ich habe eine Entgiftungsphase und durch den Verzicht weiß ich dann das Glas Wein zu Hause umsomehr zu schätzen.
Im Alltag trinke ich gern ein Glas Wein/Bier und weiß eine gute Zigarre zu schätzen.
Bei mir wurde es auch immer akzeptiert und ich musste mich nie rechtfertigen.

Das Verhalten einiger Pilger unter Alkohol bestärkt mich in meinen Verhalten, da habe ich etliche üble Entgleisungen erlebt. Bei einigen Gruppen dachte ich, dass seien Junggesellenabschiede

Das Ballermannfeeling hatte ich fast immer auf dem Weg Arzua-SDC und 2022 in SDC und das fand ich nicht gut.
„Nicht alle, die wandern, sind verloren …“

Gandalf
angel2969
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Re: Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Beitrag von angel2969 »

hi,
gegen ein gern auch alkoholfreies Alster beim Ankommen und ein Glas Wein beim Essen sage ich nicht nein, Aber die Saufgelage, die in den letzten Jahren besonders auf den letzten ca. 150 km stattfinden, bin ich gerne aus dem Weg gegangen, da manche Menschen unter Alkohol alle Hemmungen verlieren, Solange sie nicht andere Pilger stören soll jeder sein Ding machen, eine Erfahrung in einer Herberge in Pedrouzo ist mir in negaiver Erinnerung geblieben, eine Gruppe von 6 Pilgerinnen kam lange nach Schließungszeit in die Herberge, machen soviel Lärm und Trara, dass alle anderen Pilger:innen hellwach waren, freeche Antworten auf die wirklich nette Bitte, sich doch leiser zu verhalten und motzten morgens herum, weil die Pilger, die sich auf den Weg machten, sie beim ausschlfen stören. Die Lösung für diese Gruppe wäre in meinen Augen eine Übernachtung im Hotel gewesen. Aber meistens finde ich die Rücksichtnahme und Toleranz gerade auf den Caminos ganz besonders
bc angel
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Via Comitis
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Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Beitrag von Via Comitis »

Rauchen, Alkohol , Essen – Wo fängt die Sünde an? "Sich von Süchten beherrschen zu lassen und dabei womöglich noch den eigenen gottgegebenen Leib zu schädigen, ist also nicht in Gottes Sinne."

Der Alkohol hat es nicht zu den Top 7 der Todsünden geschafft, obwohl einige Glaubenslehrer immer wieder vor den Gefahren warnten: "Pirmin, der Apostel der Alemannen äusserte sich warnend vor den Gefahren der Trunkenheit ... . Für ihn zählten auch Meineid und Trunkenheit zu den Todsünden, ... ."


Anders im Islam , dort wurde der Alkohol verdammt da er zum Verlust der Selbstbeherrschung führt.
Via Comitis hat geschrieben: 5. Feb 2023, 20:00 ... ich reise sehr gerne in islamische Länder und ich finde es gibt einiges was besser ist als im christlichen Europa. ...

Aber wenn es um (viel) Geld geht, dann ist alles andere nicht mehr so wichtig: Saudi-Arabien lockert sein Alkoholverbot .


Gruss

Stefan :-)
Mein Jerusalem-Wegenetz: AL ~ AT ~ BA ~ BG ~ CH ~ CY ~ DE ~ GR ~ HR ~ HU ~ IT ~ ME ~ MK ~ RO ~ RS ~ SK ~ TR ~ VA
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donjohannes
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Re: Der christliche Ballermann...? - Alkohol(ismus) auf dem Camino

Beitrag von donjohannes »

Lieber Stefan,

ich bin mir nicht sicher, warum du mit diesem Beitrag den Thread wiederbeleben wolltest, aber nur kurz vielleicht: wenn du den verlinkten Artikel zu den "Todsünden" gelesen hast, dass weißt du eigentlich auch warum es "Alkohol" nicht auf die Liste geschafft hat. Denn so wie die klassichen "Todsünden" [korrekter "Wurzel- oder Haupt- (im Sinne von Kopf)] Haltungen sind aus denen viel konkretes Missverhalten wächst, ist Alkohol weder eine Sünde noch eine Haltung, sondern eine Substanz. Und bei Substanzen (und anderen Dingen) geht es um den Gebrauch selbiger damit sie eine moralische Qualifikation in die eine oder andere Richtung erlangen. Das Christentum hat kein Problem mit Alkohol, zumal sein Stifter Wasser in Wein und nicht Wein in Wasser verwandelt hat. Trunkenheit hingegen entreißt das menschliche Handeln der Vernunft und gefährdet ihn daher in vielfacher Weise - und zwar seine Seele zuerst und dann erst den Leib.

Im Islam ist das Alkoholverbot übrigens eine nachträgliche "Korrektur" Allahs. Denn im mekkanischen Vers (Sure 16,67 als Mohammed noch ein kaum beachteter Prediger war) heißt es:
Und (wir geben euch) von den Früchten der Palmen und Weinstöcke (zu trinken), woraus ihr euch einen Rauschtrank macht, und (außerdem) schönen Unterhalt. Darin liegt ein Zeichen für Leute, die Verstand haben.

Später - Mohammed nunmehr theokratischer Anführer der Umma von Medina - vollzog Allah einen Sinneswandel. Er verbot Alkohol als Teufelswerk:
zB. Sure 5,90
„Ihr Gläubigen! Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Greuel und Teufelswerk. Meidet es! Vielleicht wird es euch (dann) wohl ergehen.“
Alkohol ist ein klassisches (aber nur eines von vielen) Beispiel(en) für naskh - Abrogation d.h. dass Allah zuerst das eine sagt, aber später durch einen "besseren" Vers (im Verständnis von Muslimen) ersetzt.
Sukkessive oder Progressive Offenbarung gibt es auch in anderen Religionen. Das ist für sich genommen nichts besonderes. Im Islam ist bemerkenswert, dass es sich hier nicht nur um "Gotteswort" im "menschlichen Wort" handelt (wie zb bei der Bibel), sondern der Koran die direkte Rede Allahs (die gleichzeitig vollkommen und ewig ist) sein soll. Das zweite ist die Tatsache, dass Allah's Ewiges Wort sich binnen weniger Jahre ins Gegenteil verkehrt und damit auch eine gesellschaftliche "Entwicklung", die ein Gott bei einer Offenbarung berücksichtigen mag, nur schwer ersichtlich vorliegt. Worin besteht etwa der progressive Nutzen für Allah, dass er Alkohol 10 Jahre lang preisen lässt und dann zum Teufelszeug erklärt? Ich sage das nicht, weil islamische Gelehrte darauf nicht antworten würden, sondern weil solche "Korrekturen" für ein bestimmtes Gottesbild im Westen schwerer verstehbar sind und im Versuch zu Verstehen berücksichtigt werden sollten. Eine Einführung in den Islam - mit den Unterschieden zum Christentum - habe ich versucht hier zu unternehmen (als Frucht meiner Jerusalempilgerreise): https://www.youtube.com/playlist?list=P ... LVZy62BAbs
Damit schließe ich aber den Exkurs gerne wieder, da er nur zu deinem, Stefan, Beitrag passt, nicht aber wirklich zum Thementhread, den du mit deinen Bemerkungen reaktiviert hast.

Zurück also zu Ballermann und Alkoholkonsum am Camino
Österreich -Santiago 1998
Liechtenstein - Jerusalem und zurück 2013-14 (http://www.4kmh.com/neo)
Triest - Cannes (Via Alpina Sacra) 2018 ( http://www.4kmh.com/vas )
Irland - Italien (Via Columbani) 2022
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