Volontario im Pilgerbüro in Santiago

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PrinzKeksdose
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Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von PrinzKeksdose »

Mein Einsatz als Freiwillige im Pilgerbüro in Santiago

Münster hat mich wieder. Erschöpft aber glücklich. Insgesamt drei Wochen war ich mit einem Freund in Spanien. Zwei davon im Pilgerbüro in Santiago, die restliche Woche haben wir für uns genutzt und erkundeten die Küste Spaniens.

Planung
Nach unserem Einsatz als Hospitaleros in der Pilgerherberge in Rates sollte der nächste Einsatz im Pilgerbüro in Santiago erfolgen. Dafür nahmen wir über die Internetseite der Kathedrale Kontakt mit der ACC (Acogida Cristiana en los Caminos de Santiago) auf. Nach einigen Mails hatten wir schon mal die feste Zusage für einen Einsatz. Dann mussten noch Lebensläufe und Formulare eingereicht und ein Termin gefunden werden. Ein Einsatz dauert immer zwei Wochen. Schließlich wurde uns der Zeitraum vom 04.07. – 18.07. genannt.

Anreise
Die Anreise erfolgte per Flugzeug (Düsseldorf – Madrid) und von dort ging es mit einer Mitfahrgelegenheit weiter nach Santiago. Der 02.07. war Anreisetag, den Tag drauf nutzen wir zum Einleben, Bummeln und Stadterkundung. Für meinen Bekannten war es das erste Mal Santiago bzw. seine erste Spanienreise. Am 04.07. startete unser Einsatz im Pilgerbüro.

Unterkunft
Für die ersten beiden Nächte haben wir ein Zimmer im Hostel Forester zentral direkt hinter der Kathedrale gebucht. Mit Einsatzbeginn ging es dann in die Unterkunft der Volontarios. Alle Volontarios sind in der Pilgerherberge San Lázaro untergebracht. Allerdings in einem abgetrennten Bereich. Dieser besteht aus einer großen, gut ausgestatteten Küche, Wohnzimmer, Lesezimmer und den Schlafzimmern, Duschen und WCs. Alles sehr hell und weitläufig. Jeder hat ein Einzelzimmer was ich als sehr angenehm empfand. Wobei es Zimmer gibt, die keine Fenster haben oder Fenster die zum Nachbarzimmer bzw. zum Flur gehen. Wahrscheinlich wurden die Räumlichkeiten früher als Büro genutzt und dann umfunktioniert. Von der Herberge bis zum Pilgerbüro ist es ein Fußweg von 45 Minuten. Wer nicht laufen möchte kann den Bus nehmen. Für jeden Voluntario gibt es eine Fahrkarte. Die Bushaltestelle befindet sich direkt vorm Haus.

Einsatz
Am Dienstag den 04. Juli gab es ein Treffen der neuen Volontarios im Pilgerbüro. Wir wurden kurz vorgestellt, uns wurden die Räumlichkeiten gezeigt und der Ablauf erklärt. Die Einarbeitung der Volontarios erfolgt durch andere Volontarios. Gegen 17:00 Uhr konnten wir Feierabend machen und den Rest des Tages für uns nutzen. Am nächsten Tag ging es dann richtig los. Im täglichen Wechsel arbeitet man in der Frühschicht von 9-14Uhr bzw in der Spätschicht von 14-19Uhr. Morgens erhielten wir noch einen Ausweis, der uns als Volontarios auszeichnete. Dann gings los. Das System ist einfach zu bedienen und viel falsch machen kann man nicht. Mit drücken der Entertaste wird ein Pilger aufgerufen. Auf den großen Bildschirmen erscheint dann die jeweilige Zahl mit der Counternummer. Das System verstehen nicht alle, gehen zum nächsten freien Platz und werden dann auf den richtigen verwiesen. Dann gibt es Pilger die eine Nummer ziehen noch gar nicht registriert sind und sich aufregen, dass sie sich registrieren müssen. Und dann gibt es die, die man aufruft, einige Minuten wartet und die einfach nicht kommen. Also ruft man den Nächsten und zack hat man 1,2,3 Pilger am Tisch und alle wollen sofort bedient werden. Das neue System vereinfacht und beschleunigt den Prozess um einiges. Zwischendurch hat sich immer mal wieder eine Schlange gebildet aber keine die aus dem Büro raus und ums Gebäude ging. Alles überschaubar. Es gab immer mal wieder Pilger die weder die Credencial vorne ausgefüllt hatten noch registriert waren. Bis die ihre Compostela hatten, hat immer gut gedauert. Wenn ich mir vorstelle, alle Angaben jedes Pilgers manuell ins System einzupflegen und dann was einige erwarten eine handschriftlich ausgefüllte Compostela zu überreichen, das würde ja ewig dauern. Das neue System hat aber anscheinend auch dazu geführt, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden und Stoßzeiten mit Volontarios überbrückt werden. Vom alten Team der Festangestellten ist angeblich nur ein geringer Teil weiterbeschäftigt worden.

Besonders beeindruckt hat mich einer von den Festangestellten der jeden Stempel kannte. Es hat sich so ergeben, dass wir meist nebeneinandersaßen. Ich habe immer brav Datum und Stempel gezählt für die letzten 100 Kilometer was nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich war. Er hat dann einen Blick auf den Pilgerpass geworfen und binnen Sekunden einen Stempel ausfindig gemacht, von dem er wusste was es war (Hotel, Bar, Herberge…) und von welchem Ort. Konnte mir also ratzfatz sagen ob die 100km gegangen wurden und die Compostela ausgehändigt werden kann. Wahnsinn.

Vielen Pilgern musste ich den Unterschied zwischen Compostela und KM-Urkunde erklären. Und dann gab es immer wieder welche die es trotzdem nicht verstanden. Sie dachten man muss sich entscheiden zwischen den beiden im Sinne von entweder – oder. Nachdem ich beide Papiere ausgedruckt hatte, und sie bei mir bezahlen wollten habe ich gesagt bitte an der Kasse zahlen und dass die Compostela ein Geschenk ist. Dann fiel der Groschen und sie wollten nur noch die Compostela. Ausgedruckt ist ausgedruckt was dann auch kein Problem war. Lediglich eine spanische Pilgerin hat sich einer Kollegin gegenüber sehr unschön verhalten. Oben genanntes Problem. Die 3,-€ für die KM-Urkunde wollte sie nicht mehr zahlen, hat ihr das Papier auf den Tisch geschmissen und ihr gesagt, sie soll gefälligst spanisch reden. Das war schon sehr frech. Zum Glück blieb es bei dem einen unschönen Zwischenfall.

Dafür durfte ich um so mehr emotionale Momente miterleben. Oft standen mir selbst die Tränen in den Augen und bevor ich den nächsten Pilger aufrief musste ich erst einmal durchatmen. Sehr emotional wurde es, wenn die Pilger um den Vermerk „Vicarie pro“ baten, sie den Weg also für jemanden gegangen sind. Auch hier flossen oft Tränen. Manchmal brauchte es nur eine einfache Frage. Eine Radfahrerin, die den Weg mit ihrer Freundin gemacht hatte wurde gefragt ob sie Zuhause auch regelmäßig Rad fährt. Die Frage wurde mit einem Nein beantwortet. Wie kommt man dann dazu den Weg mit dem Rad zurückzulegen, wenn man nie Rad fährt? „Also eigentlich wollten mein Mann und ich dieses Jahr den Weg gemeinsam machen…“ und Zack brachen alle Dämme. Ihr Mann war vor kurzem verstorben und von der Freundin die sie begleitete die Mutter. Beide baten um den Vermerk Vicarie pro. Solche Geschichten gab es immer wieder was wirklich sehr bewegend war. Viele waren auch einfach nur überwältigt von dem Gefühl endlich angekommen zu sein. Einmal stand ein Franzose vor mir und mit Franzosen ist es echt immer etwas schwierig gewesen da sie meist nur Französisch können. Ich habe ihm dann die Compostela überreicht und beglückwünscht. Die KM-Urkunde wollte er auch. Da er verstehen wollte was ich sagte, hat er per mit Google übersetzen lassen. Ich also meine Sätze wiederholt und er strahlte über das ganze Gesicht. Dann hat er sich ausführlich beide Papiere angeschaut und in dem Moment wohl erst realisiert, dass er jetzt wirklich angekommen ist. Die Augen guckten nicht mehr mich an, sondern starten aufs Papier, der Kopf ging immer tiefer und irgendwann kullerten dicke Tränen über sein Gesicht. Und die schönsten Tränen waren die Freudentränen. Davon gab es auch mehr als reichlich.

Dann gab es immer mal wieder komplizierte Fälle. Die Radfahrer die ab St. Jean Pied de Port fahren und ganze vier Stempel vorweisen, eine Familie aus den USA die ebenfalls in St. Jean Pied de Port starteten und genau drei Stempel in ihren Credencials hatten. Eine Familie mit fünf Kindern und die Mutter der Meinung war, dass ihre Kinder so tapfer gelaufen sind und alle eine Credencial verdient haben. Zwei Kinder saßen im Kinderwagen, ein Säugling wurde getragen und lediglich zwei im Grundschulalter sind Etappenweise gegangen. Eine Pilgerin die Stempel kreuz und quer in ihrem Tagebuch gesammelt hat. Ein Pilger der von Polen gestartet ist und Stempel aus Polen, Deutschland und Frankreich vorweisen kann aus Spanien gerade mal drei. Dafür schleppt er zwei große Bibeln mit sich und lässt diese in den Kathedralen stempeln. Pilger, die eine digitale Credencial-App haben und Fotos von Stempeln vorweisen aber nichts auf Papier. Die App kennt keiner und ist von der Kathedrale nicht anerkannt. Pilger, die überhaupt keine Credencial haben und keine Stempel vorweisen können uns aber Fotos von Landschaften, Kühen und Gebäuden zeigen, die ja bezeugen, dass sie den Weg gelaufen sind. Die Regenpilger die einem einen nassen Lappen überreichen der nicht mehr als Credencial identifizierbar ist. Weder Stempel noch Datum sind erkennbar. Credencials mit Stempeln auf denen kein einziges Datum vermerkt ist…… Es gibt schon einige kuriose Fälle. Zum Glück gibt es für alle eine Lösung.

Neben der Credencial gibt es noch die KM-Urkunde, dann eine Kinderurkunde für die ganz Kleinen die getragen werden, und eine Bestätigung, dass man die Kathedrale in Santiago und das Grab des Apostels besichtigt hat. Zudem gibt es zwei Stempel. Den offiziellen und einen schönen. Irgendwie hat sich immer eine Lösung gefunden und die Umsetzung der Regeln sind variabel.

An einigen Tagen hatte ich an die 80 Pilger und bin kaum dazu gekommen eine Pause einzulegen. An anderen Tagen war so gar nichts los und es wurde schon fast langweilig. Zum Glück kam das nicht allzu häufig vor. Generell sind die Pilger immer in Wellen im Büro eingetroffen, schon ein komisches Phänomen.

Mein Bekannter und ich haben ab und an Nationenraten gemacht. Und ja, es ist möglich vom Äußeren her die Nationalität zu bestimmen. Genauso wie bestimmte Nationen bestimmte Eigenschaften aufweisen. Mit den Franzosen war es etwas kompliziert mit den Iren hatte ich immer den meisten Spaß. Koreaner nicken immer nur.

Auch wenn es im Pilgerbüro manchmal anstrengend wurde, den härtesten Job hat die Security. Morgens drängeln die ersten Pilger an der Tür und der Mann der aufschließen will wird von einem Pilger zur Seite gedrängt mit den Worten „I am first“. Da muss man echt Nerven haben.

Anstrengend war der Einsatz zum einen aufgrund der Emotionalität. Dann ist die Lautstärke nicht zu unterschätzen. Wenn alle Plätze belegt waren, waren wir 15 Leute die gleichzeitig redeten. Mit einigen Pilgern war ich Stirn an Stirn und wir haben uns mehr angeschrien als unterhalten damit wir uns verstehen. An solchen Tagen war man abends durch, hatte keine Lust mehr auf das Treiben der Stadt, sondern freute sich darauf im ruhigen Garten zu sitzen. Zur Halbzeit hin habe ich bei mir selber gemerkt, dass ich in eine Art Abstempelmodus gekommen bin. Es ist ja auch ein bisschen wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Täglich kommen Pilger an, denen man die Compostela ausstellt und ähnliche Fragen stellt. Gerade bei den 100km Pilgern habe ich dann mehr abgefertigt als überreicht. Insbesondere wenn es voll war und wir nicht komplett besetzt waren, hat sich bei mir ein Druck aufgebaut im Sinne von schneller arbeiten, damit jeder seine Compostela erhält. Nach zwei Tagen habe ich gemerkt bringt mir nichts, den Pilgern nichts und stresst mich nur. Also einen Gang runter schalten, verschiedene Fragen stellen und wenn sich einer auf ein Gespräch einlässt freue ich mich, wenn einer einfach nur seine Compostela haben will ist auch gut. Auch 100km Pilger haben ihre Geschichten.

Gute Gespräche haben sich oft mit den Radpilgern ergeben. Die waren zum Teil sehr lustig. Und die Leistung beeindruckend. Zwischen 80 und über 100 Kilometer pro Tag.

Mal abgesehen, dass viele die Credencial nicht ausgefüllt hatten, nicht registriert waren gibt es generell viel Unwissen. So zum Beispiel der Pilger der in St.Jean Pied de Port gestartet ist und in den ersten zwei Wochen 2.000€ ausgegeben hat, da er in Hotels nächtigte. Er wusste nicht, dass es Herbergen gibt. Dann weiß kaum einer, dass für die letzten 100km täglich zwei Stempel gesammelt werden müssen und es hilfreich ist, wenn ein Datum dran steht. Viele Erwarten, dass ihr Name handgeschrieben in die Compostela eingetragen wird, der Botafumeiro fliegt und ihr Name in der Messe vorgelesen wird. Den ein oder anderen Pilger mussten wir da enttäuschen.

Was den Botafumeiro angeht, ist es insofern ein Vorteil im Pilgerbüro zu arbeiten, da man ab und an im Vorfeld erfährt wann er fliegt. Unter anderem wird die Arbeit der Tauzieher von Volontarios aus dem Pilgerbüro gemacht. Der Flurfunkt munkelt es hätte ein festes Team in der Kathedrale gegeben, und es sein zu Unstimmigkeiten gekommen. Was auch immer das heißen mag. Auf jeden Fall wird auch hier auf den Einsatz von Freiwilligen zurückgegriffen. Nachdem ich also mitbekommen hatte, dass zwei Jungs ihren Einsatz in der Kathedrale hatten, habe ich mich auch gemeldet. Eine Kollegin, die dem festen Team angehörte meinte: Miriam, bevor du das machst bin ich dran. Seit 15 Jahren warte ich auf meinen Einsatz. Klare Regel: Nur Männer dürfen den Botafumeiro fliegen lassen. Doofe Regel! Mein Bekannter hatte dann seinen Einsatz. War total aufgeregt, hat aber einen guten Job gemacht und am Tag drauf ordentlich Muskelkater. An einigen Tag flog der Botafumeiro gleich zweimal. Ich habe mich dann für die Lesung gemeldet und bin drangekommen.

Generell fand ich den Einsatz toll. Es war eine intensive aber auch anstrengende Zeit. Da ich es liebe zu stempeln und mich für Stempel begeistern kann, war das Pilgerbüro schon mal der richtige Ort für mich. Einfach das Gefühl aus Überzeugung einen Dienst für die Pilger zu machen war gut. Zudem hatten wir Glück mit unseren Mitvolontarios. Wir hatten zwei sehr schöne Abende mit gemeinsamen Essen, zu dem jeder was beigetragen hat. Das Team im Pilgerbüro fand ich nett und unterstützend bei allen Fragen. Im Gegensatz zur Pilgerherberge sind es immer nur kurze Momente in denen man Kontakt mit dem Pilger hat. Klar kann ein Gespräch auch mal länger werden aber in der Herberge ist es doch anders. Ein besser oder schlechter kann ich nicht sagen, einfach anders. Jeder muss für sich rausfinden welcher Einsatz ihm mehr liegt.

Und falls jemand Kontakt zu deutschen Pilgerbetreuung hat: Wir haben alle deutschsprachigen Pilger immer nach oben geschickt um dann nach kurz vor Abreise zu erfahren, dass das Büro erst ab 16Uhr besetzt ist. Hätte man uns auch mal früher sagen können.

So und wer jetzt auch Stempeln und Drucken möchte, hier die Kontaktdaten von Montse an die ihr euch wenden könnt:

ACC (Acogida Cristiana en los Caminos de Santiago)
Montse Baltar
info@acogidacristianaenelcamino.es
www. acogidacristianaenloscaminosdesantiago.org
Zuletzt geändert von PrinzKeksdose am 28. Jul 2023, 20:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Frau Holle
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von Frau Holle »

Was für ein toller Bericht, danke!
Das sind sehr spannende Einblicke, besonders interessant finde ich, dass die Pilgerbüroleute den Kessel mitschwingen und was für eine blöde Regel, dass nur Männer ihn schwingen dürfen. Da merkt man wieder mal, dass die ganze Welt umdenkt und die Katholiken in manchen Punkten einfach stur bleiben. Freut mich aber, dass du zum Text vorlesen dann doch gut genug warst 😅
Das muss auch ein tolles Gefühl sein, in der Messe in Santiago eine Lesung machen zu dürfen- viel schöner als an einem Seil zu ziehen 😉

Ich habe ja gerade Corona und hab mich heute aufgrund der Isolation und Langeweile wieder etwas im Caminoblues verloren und möchte wieder mal auswandern und die Casa de Pilgerforum aufbauen 🥺

Und jetzt hab ich natürlich auch plötzlich Lust darauf Stempel zu zählen und Compostelas auszustellen 😃

Da ich in den letzen 2 Jahren leider auch 2x „vicarie pro“ wenige Wochen nach den Todesfällen hab auf die Compostelas schreiben lassen weiß ich wie emotional das ist. In diesem Jahr hat es nach einem lustigen Plausch über unsere vielen Caminos (der Volunteer hatte doch glatt mehr Caminos aufm Buckel als ich) noch nicht für Worte gereicht, er musste den Namen von der Todesanzeige in meinem Tagebuch abschreiben und er hat mich einfach Moment mit Tränen in den Augen angesehen. Das war für mich ein sehr bewegender Moment, weil da Menschen sitzen, die sich für uns Pilgernde interessieren und die nicht nur einfach Stempel zählen und dann auf drucken klicken. Und weil es auch einfach keine Worte gab. Wenn der Pilger von Burgos startet und der Todestag der eingetragenen Person noch keine 6 Wochen zurückliegt weiß man, dass das kein leichter Camino war.

Genau wegen solcher Begegnungen und Momente ist der ehrenamtliche Einsatz von Pilgern auch so wertvoll.
(Nur) wir Pilger wissen, was es bedeutet in Santiago anzukommen und mit welcher Intensität an Emotionen man u.A. auch in das Pilgerbüro kommt.

Danke dir und allen freiwilligen Helfern in den Herbergen, im Pilgerbüro und wo man sie noch so findet ♥️
u l t r e i a
Mimmy2022
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von Mimmy2022 »

Das mit dem handschriftlichem in der Compostela, war mir garnicht bewusst geworden.

Dürfte auch teilweise daran liegen, dass ich meine beiden Compostela vorher nie nebeneinander betrchtet habe.

Dann bin ich extra dankbar, für meine Erfahrung letztes Jahr nicht nur war die Dame am Schalter sehr freundlich und es zu einem schönen Moment gemacht - nein, ich hatte noch das Glück eine handschritlich ausgefüllte Compostela erhalten.

Im Vergleich zu diesem Jahr eine um Welten bessere Erfahrung.

Schade, dass die Compostela jetzt immer ganz gedruckt ist, das nimmt dem Ganzen irgendwie was... :(

Auf jeden Fall danke, dass wir an deiner Erfahrung durch den Bericht teilhaben durften.

Da das Thema im Bericht vorkommt: Wie sieht es denn mit der Entfernungsangabe bei Pilgern aus, die z. B. direkt in Polen losgelaufen sind? Also wie wird da die Entfernung ermittelt?
Superfrauandrea
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von Superfrauandrea »

unser damals geplanter Einsatz im Pilgerbüro wurde leider durch Corona zurstört, allerdings ist der Einsatz noch immer im Hinterkopf.
eine Frage: ist Spanisch unverzichtbar - denn meine Kenntnisse sind noch immer spartanisch.
Danke für deinen Bericht. lg. Andrea
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PrinzKeksdose
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von PrinzKeksdose »

@superfrauandrea
Nein Spanischkenntnisse sind keine Voraussetzung. Mein Bekannter kann ebenfalls kein Spanisch und hat sich durchgewuselt. Seine Gespräche mit den spanischen Pilgern vielen halt kürzer aus. Startdatum Ort und Camino wurden abgefragt, dann gab es die Compostela. Dafür wurden die Gespräche mit englisch- und deutschsprachigen Pilgern um so länger. Es sind ja immer noch genügend spanische Volontarios vor Ort die weiterhelfen. Die Jüngeren sprechen zum Teil Englisch, sonst mit Händen, Füßen und Googel. Zwischendurch haben wir auch Pilger getauscht.

@Mimmy2022
Ja das System übernimmt echt viel. Für den Druck ist eine lange Namensliste hinterlegt mit der entsprechenden lateinischen Übersetzung. Das heißt, ich gebe nur noch den ersten Vornamen ein und zack habe ich die lateinische Übersetzung. Bei Doppelnamen, was bei Spaniern ja nicht selten vorkommt, habe ich den zweiten Vornamen immer in das Feld für den Nachnamen mit eingetragen, da sonst nichts übersetzt wurde.

Für die Entfernungen ist ebenfalls eine Liste hinterlegt. In dem Moment wo der Pilger bei der Registrierung sein Startort angibt wird automatisch die Kilometerangabe gezogen. Wird der QR-Code im Pilgerbüro gescannt oder die Nummer eingegeben, sind alle Eingabefelder in der Maske ausgefüllt. (Name, Vorname, Camino, Startort, Startdatum, Kilometer) So sollte es theoretisch sein. Nicht jeder Pilger füllt bei der Registrierung alles aus, bzw. sie geben ihren Geburtsort statt des Startorts an usw. Alle Angaben lassen sich nachträglich, manuell ändern. Sogar das Datum in der Compostela. Wobei ich selber nicht rausgefunden habe wie das geht. Die hinterlegte Liste beinhaltet sämtliche Orte der Caminos und die größten europäischen Städte wie Köln, Wien, Prag, Warschau. Wenn der Pilger mehrere Wege läuft, wird für die KM-Urkunde als Wegangabe der Weg genommen über den er Santiago erreicht hat. Ist der Startort nicht im System hinterlegt haben wir meistens zusammen mit Googel gerechnet. Gerade bei der Distanzurkunde habe ich öferts mal beide Augen zugedrückt. Pilger die eine weite Anreise hatten wollten beide Papiere, Compostala und Distanzurkunde. Im nachfolgenden Gespräch kam dann raus, dass von Burgos nach Leon der Bus genommen wurde, dann von Leon nach ... und dann noch ein weiteres Mal. Man geht schon von der Ehrlichkeit der Pilger aus. Ab und an habe ich nachgehakt "Und alles gelaufen"? Schlussendlich muss es jeder Pilger für sich selbst wissen welche Angaben er macht. Ein wenig hängt es auch damit zusammen an welchen Volontario man gerät. Als Beispiel: Ein Ehepaar das zusammengelaufen ist und an verschiedenen Schaltern bedient wird. Sie erhält Compostela und Distanzurkunde, er lediglich den Nachweis, dass er die Kathedrale in Santiago und das Grab des Apostels besucht hat. (Ich habe es immer das Blümchenpapier genannt) Nach zwei Wochen im Büro war die Compostela gar nicht mehr so was besonderes für mich. Das ehrfürchtige Gefühl was man als Pilger hat wenn man die Compostela überreicht bekommt hat man auf der anderen Seite weniger. Man muss viel mehr dafür sorgen, dass das Gegenüber das Gefühl bekommt.
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PrinzKeksdose
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von PrinzKeksdose »

Was mir selber neu war

Man ja lernt ja nie aus und so habe ich im Einsatz einiges gelernt, was mir vorher nicht bekannt war. Ob es eine 100% Richtigkeit hat konnte man mir nicht sagen. Wer zum Beispiel auf dem Camino Portugues die Variante Espiritual nimmt und dann mit dem Boot fährt bekommt keine Compostela, weil die letzten 100km nicht gelaufen wurden. Also die Bootsfahrt besser nicht erwähnen. Die letzten 100km müssen auf einem offiziell anerkanntem Pilgerweg erfolgen. Sonst gibt es keine Compostela. Dass Fotografieren im Pilgerbüro ist verboten. Ich habe das nicht immer ganz so genau genommen und den ein oder anderen Pilger der sich mit seiner Compostela hat ablichten lassen ignoriert. Was ich schon dreist fand war, dass man als Volontario ungefragt fotografiert und gefilmt wurde. Viele wollten den Moment festhalten wenn ihre Compostela ausgefüllt wird, was ich verstehen kann aber man kann wenigsten vorher fragen. In Spanien muss man sich nicht nur für das Pilgerbüro und Sehenswürdigkeiten wie dem Portico de la Gloria registrieren. Die Registrierung inkl Nummer vom Perso gilt auch für viele Sehenswürdigkeiten und Naturreservate (Playa de los Catedrales, Punta fucino do porco...) zum Schutz vor Überlaufung und Vermüllung. Zum Teil bekommt eine Besucherzeit zugewiesen die dann auf zum Beispiel eine Stunde beschränkt ist bei anderen ist man frei was die Dauer des Aufenthalts angeht.
caminoxyz
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von caminoxyz »

Was ist eine KM-Urkunde?
Und was für Menschen schummeln um eine Pilgerurkunde zu bekommen? Mir erschließt sich der Sinn nicht ganz ...
Ansonsten spannender Bericht, obwohl ich zuerst dachte, wer sich so was freiwillig antut.
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Frau Holle
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von Frau Holle »

caminoxyz hat geschrieben: 28. Jul 2023, 20:41 Was ist eine KM-Urkunde?
Und was für Menschen schummeln um eine Pilgerurkunde zu bekommen? Mir erschließt sich der Sinn nicht ganz ...
Ansonsten spannender Bericht, obwohl ich zuerst dachte, wer sich so was freiwillig antut.
Die Kilometerurkunde ist die Distancia, im Bild die untere Urkunde.
Die gibt es seit 2014, kostet 3€ und bescheinigt die Anzahl der im Pilgerbüro angegebenen gepilgerten Kilometer.
Ich habe meine Kilometerzahl übrigens selbst im Pilgerbüro angegeben und sie wurde ohne Diskussion übernommen

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Pilgerbär
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Re: Volontario im Pilgerbüro in Santiago

Beitrag von Pilgerbär »

Frau Holle hat geschrieben: 27. Jul 2023, 22:34 Was für ein toller Bericht, danke!
Das sind sehr spannende Einblicke, besonders interessant finde ich, dass die Pilgerbüroleute den Kessel mitschwingen und was für eine blöde Regel, dass nur Männer ihn schwingen dürfen. Da merkt man wieder mal, dass die ganze Welt umdenkt und die Katholiken in manchen Punkten einfach stur bleiben. Freut mich aber, dass du zum Text vorlesen dann doch gut genug warst 😅


In den baskischen Kochvereinen dürfen auch nur Männer in den Töpfen rühren...es betrifft also nicht nur die Katholiken.

Bei der Lesung hat man die volle Aufmerksamkeit und auch eine ordentliche Verantwortung um dies ehrerbietend zu zelebrieren. Ich hätte mich das nicht getraut...Hut ab.

Toller Bericht, ich glaube ich werde mir das nächste mal doch noch eine Urkunde ausstellen lassen, nur um mich noch einmal ausgiebig bedanken zu können...
Ultreya, euer Pilgerbär
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