Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Allgemeine Diskussionen zur Pilgerei und ihrer Geschichte
Gerhard Nikolaus
Beiträge: 164
Registriert: 7. Jun 2022, 18:53

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Gerhard Nikolaus »

Simsim hat geschrieben: 12. Jan 2024, 10:38 Was meint Ihr eigentlich mit "Pilgerfeeling"?
Für meinen Teil sicher nicht das selbe Gefühl, wie ich es hatte, als ich auf dem Camino war.
Natürlich erinnere ich mich noch an viele Begebenheiten auf dem Weg, der Anblick solcher Accessoires und Erinnerungstücke lässt meine Erinnerungen aber plastischer und intensiver werden - gerade auch die Momente, die mich sehr berührt haben. Es ist so ähnlich, wie das Lesen und Betrachten der Texte und Bilder in meinen Camino Tagebüchern.

Um ein „echtes“ Pilgerfeeling zu bekommen, müsste ich hier wochenlang in den selben Kleidungsstücken wie auf dem Camino herum laufen und mit Ohropax in den Ohren schlafen.
Camino Francés April/Mai 2022
Camino Francés April/Mai 2023
Olavsweg (Lillehammer - Trondheim) Juli 2023
Benutzeravatar
Monasteria
Beiträge: 37
Registriert: 11. Dez 2023, 13:26

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Monasteria »

Gerhard Nikolaus hat geschrieben: 12. Jan 2024, 11:22
Um ein „echtes“ Pilgerfeeling zu bekommen, müsste ich hier wochenlang in den selben Kleidungsstücken wie auf dem Camino herum laufen und mit Ohropax in den Ohren schlafen.
Und nicht vergesse: Einen würzigen Käse kaufen und im Schuhregal, am besten direkt am Eingang der Wohnung, deponieren!
Schritt für Schritt
Benutzeravatar
Simsim
Beiträge: 2511
Registriert: 23. Okt 2019, 11:33

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Simsim »

Um ein „echtes“ Pilgerfeeling zu bekommen, müsste ich hier wochenlang in den selben Kleidungsstücken wie auf dem Camino herum laufen und mit Ohropax in den Ohren schlafen.
:D ähnlich wie die lange Liste weiter oben, die hauptsächlich die Unbequemlichkeiten aufzählt, die sich auf dem Camino für die meisten kurios und als Kontrast zum Alltag anfühlen.

Aber das, was dann als "Pilgerfeeling" bezeichnet wird, liegt doch auf einer anderen Ebene, oder?

So wie Du auch selbst sagst, können Gegenstände, aber auch Oropax und stinkige Klamotten vielleicht Erinnerungen wecken, Fotos, Muscheln, Compostela können zeigen, dass Du was mit dem Camino am Hut hast, aber ist die Anwesenheit dieser Gegenstände wirklich ein Zeichen für Dein Pilger-Sein?
So wie die Anwesenheit einer Marienstatue in einer Wohnung erstmal nicht viel über das spirituelle Leben des Bewohners aussagt....

Was nun ist wirklich "echtes Pilgerfeeling"? Was meint ihr damit? Wie fühlt es sich an?

Die Frage ist ernst gemeint, denn irgendwie entzieht es sich mir, ich kenne es nicht, dieses feeling....glaube ich jedenfalls.
andrea+wildgans
Beiträge: 118
Registriert: 19. Aug 2023, 14:24
Wohnort: Emsland

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von andrea+wildgans »

Für mich ist es eigentlich eher eine innere Haltung, bei der mir bewusst ist, dass ich nur "vorübergehend" bin. Durchaus auch im Sinn des Kirchenlieds "Wir sind nur Gast auf Erden". Und diese Haltung ist bestimmt von: Bereit sein zum Aufbruch, mit langem Atem auf ein Ziel zugehen, unterwegs sein mit wenig Gepäck, zum Loslassen bereit sein, neugierig sein, die Komfortzone mal verlassen, mich nicht übermäßig absichern,...
All das kann man beim Pilgern einüben... aber nicht nur da. Und wieder andere laufen zehnmal nach Santiago und haben eine solche Haltung trotzdem nicht.
Mir gefällt die Neuübersetzung von Ps 84 in der Einheitsübersetzung: "Wohl den Menschen, die Pilgerwege im Herzen tragen" - das trifft es, finde ich, ganz gut. Und die kleine Jakobsmuschel an meinem Schlüsselbund erinnert mich einfach daran...
Benutzeravatar
Simsim
Beiträge: 2511
Registriert: 23. Okt 2019, 11:33

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Simsim »

Ja...das kann ich sehr gut nachvollziehen....Pilger sein auf Erden, nicht am Irdischen anhaften, nicht einmal zu sehr an sich selbst, immer in Bewegung auf das Ziel unserer eigentlichen Sehnsucht hin, getrieben und gerufen von einer inneren Ahnung.....
Auf dem Camino habe ich dieses "feeling" weniger, denn ich bin ja dann praktisch wie der Fisch im Wasser, mitten in meinem Element.
Wenn ich aber nicht laufe, habe ich oft diese Wahrnehmung sehr stark, weil mich so vieles weder interessiert noch begeistert, aber auch nicht frustriert und besorgt, was für so viele andere Leute im Mittelpunkt steht....

Dreckige Klamotten und schnarchende Mitschläfer sind mir insofern dann auch lieber und näher, als das neueste Handy etc.... :)
TimCamino
Beiträge: 16
Registriert: 25. Nov 2023, 19:18

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von TimCamino »

Danke, dass Du das ansprichst. Ich fand die negativen Aspekte des Pilgerfeelings in der Liste einfach nur witzig, an die positiven hatte ich zuerst gar nicht gedacht. :roll: Für mich besteht das positive Pilgerfeeling vor allem aus Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass ich eine Dusche bekomme, ein Abendessen, eine Schlafmöglichkeit, vielleicht ein Frühstück. Ich bin dankbar, dass ich diesen Weg gehen darf.

Hinzu kommt der Gedanke, dass den Weg schon Hunderttausende vor mir gegangen sind. Was haben die sich gedacht, warum sind sie ihn gelaufen? Der Camino lädt einfach zu Fragen ein. Das unterscheidet ihn für mich von "normalen" Wanderwegen.
Benutzeravatar
Gertrudis
Beiträge: 490
Registriert: 15. Jul 2019, 23:35
Wohnort: Hohenpeißenberg

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Gertrudis »

Bei mir gibt es wirklich manchmal "richtiges Pilgerfeeling", und das liegt nicht an den vielen vielen Muscheln überall im Haus, deren Zahl niemand kennt...
Aber manchmal, wenn Pilger in mein Haus am Münchner Jakobsweg einkehren und ihre Begeisterung und ihre Sehnsucht, ihre Fragen ans Leben und die Blasen an den Füßen hier her bringen, dann umweht uns dieser wohlbekannte Geist und ja , dann sind wir mitten auf dem Camino 😃
Benutzeravatar
Frau Holle
Site Admin
Beiträge: 1516
Registriert: 14. Jul 2019, 14:14
Wohnort: Nordsee

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Frau Holle »

Ich habe viele Herbergen erlebt, in denen es Caminodeko gibt, an jeder Ecke ist eine kleine Caminosache, ein Bild, ein Souvenir, eine Muschel. Ich mag das sehr und wenn ich bei Pilgern zu Gast bin, bei denen es ähnlich ist bekomme ich schon „Pilgerfeeling“
Ähnlich wie man durch Äußerlichkeiten in Weihnachtsstimming kommen kann, obwohl man da eher von hübscher oder festlicher Beleuchtung und Deko angesprochen wird als von dem eigentlichen Weihnachtsgedanken.
Eine Muschel in Straßburg kann mir bspw. auch in Pilgerfeeling bescheren, weil ich oft in Städten den Muscheln gefolgt bin.
u l t r e i a
Benutzeravatar
Simsim
Beiträge: 2511
Registriert: 23. Okt 2019, 11:33

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Simsim »

Ja...nur was ist dieses "Pilgerfeeling" für ein Gefühl?
Kannst Du es beschreiben?
Benutzeravatar
donjohannes
Beiträge: 254
Registriert: 21. Jul 2019, 21:40

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von donjohannes »

Wenn's bei der Frage um Jakobsweg-Pilgerdeko und Paraphernalia geht, dann hab ich eigentlich fast nix, was einem Gast als spezifisch Pilger-isch ins Auge sticht. Im Regal stehen ein paar Bücher zum Thema, aber keines vom Jakobsweg. In irgendeiner Schublade oder Kiste müsste die Compostela mit 2 Fotos sein (weder aus Rom noch aus Jerusalem hab ich ein Papier mitgenommen) und eine Muschel sollte auch wo sein. Ausrüstung gibt's, aber diese ist nicht anderes als bei Wanderern - ausser dass vielleicht meine vielen Sandalenpaare, die ich noch fertiglaufen will, bis kein Rest der Sohle mehr da ist (Motto "ein paar hundert km um's Haus gehn sich noch aus..."), Fragen aufkommen lassen warum ich mehr Schuhe als die meisten Frauen habe. :lol:

Wenn's um die Wohnung eines Pilgers geht insofern das Pilgern als Lebenshaltung und Einstellung verstanden wird, gefallen mir Simones ("Gefühl auf Durchreise zu sein") und Andreas ("Wissen um die Vorläufigkeit bei gleichzeitiger Gastlichkeit") Antworten. Ich weiß aber nicht, ob "Reduktion" und "Vergänglichkeit" meinen eigenen Besuchern ins Auge sticht. Meine Hütte mag zwar Tiny-House-Dimensionen haben, aber wahrscheinlich wäre ich überrascht, wie viel sich trotzdem über die Jahre angesammelt hat (allein an Werkzeugen oder Büchern). Und ich hänge vermutlich heute mehr an dem mir anvertrauten Flecken Erde, als in der Zeit, in der ich noch ein Mieter in einer Kaplanei gewesen bin. Da muss man sich schon bewußt erinnern: Windhauch, alles Windhauch ... Wir sind nur pilgernde Gäste auf Erden auf dem Weg zum himmlischen Jerusalem.
Österreich -Santiago 1998
Liechtenstein - Jerusalem und zurück 2013-14 (http://www.4kmh.com/neo)
Triest - Cannes (Via Alpina Sacra) 2018 ( http://www.4kmh.com/vas )
Irland - Italien (Via Columbani) 2022
Gerhard Nikolaus
Beiträge: 164
Registriert: 7. Jun 2022, 18:53

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Gerhard Nikolaus »

Simsim hat geschrieben: 12. Jan 2024, 16:18 Ja...das kann ich sehr gut nachvollziehen....Pilger sein auf Erden, nicht am Irdischen anhaften, nicht einmal zu sehr an sich selbst, immer in Bewegung auf das Ziel unserer eigentlichen Sehnsucht hin, getrieben und gerufen von einer inneren Ahnung.....
Auf dem Camino habe ich dieses "feeling" weniger, denn ich bin ja dann praktisch wie der Fisch im Wasser, mitten in meinem Element.
Wenn ich aber nicht laufe, habe ich oft diese Wahrnehmung sehr stark, weil mich so vieles weder interessiert noch begeistert, aber auch nicht frustriert und besorgt, was für so viele andere Leute im Mittelpunkt steht....

Dreckige Klamotten und schnarchende Mitschläfer sind mir insofern dann auch lieber und näher, als das neueste Handy etc.... :)
Na ja, die Sachen sauber halten und nachts das Geschnarche in den Herbergen mit Ohropax auszublenden, schließt ja nicht aus, dass einem (mir) ein älteres Handy Modell genügt. ;)
Die Frage ist dann aber, was der Threadtitel will - sich mit Hilfe diverser Camino-Devotionalien und Wanderutensilien wie auf dem Camino zu fühlen, oder beim Anblick mancher Mitbringsel eine Sehnsucht zurück auf den Weg zu spüren. Und glaube ich zu wissen, worauf Du hinaus willst. Ich denke jetzt schon wieder darüber nach, mich im Frühjahr erneut auf den Weg zu machen, obwohl ich ganz andere Pläne habe. ;)
Camino Francés April/Mai 2022
Camino Francés April/Mai 2023
Olavsweg (Lillehammer - Trondheim) Juli 2023
Benutzeravatar
Frau Holle
Site Admin
Beiträge: 1516
Registriert: 14. Jul 2019, 14:14
Wohnort: Nordsee

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Frau Holle »

Simsim hat geschrieben: 13. Jan 2024, 04:13 Ja...nur was ist dieses "Pilgerfeeling" für ein Gefühl?
Kannst Du es beschreiben?
Ich meine mit Pilgerfeeling nichts hochtrabendes oder besonderes, sondern ganz pragmatisch ein „das ist ja wie auf dem Camino“- Feeling.
Und das ist für mich sehr positiv besetzt, also ein gutes Gefühl, weil ich noch gern auf den Camino zurückversetze.

Ein aktuelles Beispiel: Eben war ich auf einem Wochenmarkt und der Stand hat Pastel de Natas und diese Küchlein mit dem Papier drum (wie auch immer die heißen). Wir haben uns angestellt und die Frau vor uns mit ihrem Poncho… das ist doch Pilgerfeeling! 😍

Bild
u l t r e i a
Benutzeravatar
Camineiro
Beiträge: 1874
Registriert: 15. Jul 2019, 11:53
Wohnort: südl. Münsterland

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Camineiro »

Ich sehe das mit dem Pilgerfeeling ähnlich pragmatisch wie Holle.

Der Frau im Poncho hätte ich "Moin Camino" gewünscht. 😊
Benutzeravatar
Simsim
Beiträge: 2511
Registriert: 23. Okt 2019, 11:33

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Simsim »

Hm....pragmatisch zu sein, als Lebenshaltung, also sachlich ergebnisbezogen, ohne viel Emotionen, kann ich mir ja gut vorstellen.
Aber was ein pragmatisches Pilgerfeeling ist, versteh ich nicht. Das wäre ja wie wenn man sagt, ich habe ein pragmatischen Verliebtheitsgefühl :D . ..

Ich will jetzt aber nicht darauf rumreiten, ich glaube, dass ich trotzdem ganz gut verstehe, was Ihr meint. Danke!
Benutzeravatar
Camineiro
Beiträge: 1874
Registriert: 15. Jul 2019, 11:53
Wohnort: südl. Münsterland

Re: Was macht Eure Wohnung zur Pilger*innen-Wohnung?

Beitrag von Camineiro »

Simsim hat geschrieben: 13. Jan 2024, 15:43 Hm....pragmatisch zu sein, als Lebenshaltung, also sachlich ergebnisbezogen, ohne viel Emotionen, kann ich mir ja gut vorstellen.
Aber was ein pragmatisches Pilgerfeeling ist, versteh ich nicht. Das wäre ja wie wenn man sagt, ich habe ein pragmatischen Verliebtheitsgefühl :D . ..

Ich will jetzt aber nicht darauf rumreiten, ich glaube, dass ich trotzdem ganz gut verstehe, was Ihr meint. Danke!
Ich hatte nach dem Wort „simpel“ gesucht, es aber in den Weiten meines Hirns nicht gefunden.
Stattdessen habe ich pragmatisch gschrieben, was mir ähnlich sinnvoll erschien.
Aber simpel trifft es besser. 😉

Natürlich sind da auch Emotionen im Spiel.
Das drückt ja schon der Wortanhang -feeling aus.
Antworten